Hauptrubrik
Banner Full-Size

Der Fluch des Rings

Publikationsdatum
Body

Wolfgang Wagner hat es zur Zeit nicht leicht. Er verwaltetet einen lebenslang vermachten Erbbesitz, den ihm so gut wie keiner mehr gönnt. Wie der Drache Fafner behütet er in starr-sturer Ruhe das Gesamtleitungs-Privileg der Bayreuther Festspiele, einen neuzeitlichen Siegfried, der ihm einfach frech den Besitz raubt, gibt es in den Tagen von Agreement und zum Firmenideal erhobener Corporate Identity nicht. Die Tochter Eva als designierte und von Wolfgang vorgeblich anerkannte Nachfolgerin macht derzeit das gleiche wie der Vater, sie wartet. Wer das wohl länger kann?

Wolfgang Wagner hat es zur Zeit nicht leicht. Er verwaltetet einen lebenslang vermachten Erbbesitz, den ihm so gut wie keiner mehr gönnt. Wie der Drache Fafner behütet er in starr-sturer Ruhe das Gesamtleitungs-Privileg der Bayreuther Festspiele, einen neuzeitlichen Siegfried, der ihm einfach frech den Besitz raubt, gibt es in den Tagen von Agreement und zum Firmenideal erhobener Corporate Identity nicht. Die Tochter Eva als designierte und von Wolfgang vorgeblich anerkannte Nachfolgerin macht derzeit das gleiche wie der Vater, sie wartet. Wer das wohl länger kann?Abzusehen ist, dass ausdauerndes Warten auch frisch erhält, dass herbeigesehnte Alters-Halbwertszeiten allen physisch-physikalischen Gesetzen trotzen – und von den geistigen Verfallsdaten wollen wir hier gar nicht sprechen. Was macht das Schicksal in der Oper bei so schier ausweglosen Situationen? Es greift auf die Nornen oder andere Göttinnen des ewigen Fatums zurück – und schlägt zu. Fafners Ruhe wird unterminiert von einer Seite, mit der er nicht rechnete. Der Tod Giuseppe Sinopolis, der ab Ende Juli in Bayreuth den „Ring“ dirigieren sollte, ist so ein Schlag, der nun wie ein Menetekel über dem Haupt von Wolfgang Wagner schwebt. Hätte in besseren Zeiten sich solches ereignet, dann wären die Beteiligten zusammengerückt und hätten eine Lösung auf die Bühne gewuchtet, der, wenn schon nicht umfassend künstlerisch, so doch zumindest von organisatorischer Seite höchstes Lob gezollt worden wäre.

Und da Kunst ohne Organisation nicht funktioniert, hätte auch sie profitiert. Nun aber ist alles anders. Ist es nicht ein Fingerzeig der Götter, so mag mancher klammheimlich denken, dass Wolfgang Wagner, der alles um sich hortet und festschmiedet, nun die Künstler wegsterben? Wenn er nicht abtritt, dann treten seine Mitstreiter unwiederbringlich ab, fallen wie die letzten Scharen der Nibelungen im neuen Reich Etzels. Ob ein Herr Thielemann wie der schier unverwüstliche Recke Hagen hier noch zur Seite springt, ob ein Barenboim die Pfründe zu wahren versucht – wir wissen es noch nicht. Aber eines ist klar: Die Zeit, die Wolfgang Wagner so lange für sich arbeiten ließ, kehrt sich nun gegen ihn. Sie wird enger. Und Bayreuth lässt sich noch nicht zu Tode trotzen. Auch wenn es in das Weltbild des Großvaters wohl passen würde. Aber vielleicht wird einst Wolfgang Wagner als letzter Heroe die Festspiele ganz allein bestreiten. Neue Sampling-, Delay- und Hall-Technologien machen es ja möglich, dass eine Stimme zum ganzen Chor oder zum Orchestersound hochgefahren wird. Wäre das nicht sogar das letzte und reinste Ideal des Gesamtkunstwerks?

Weiterlesen mit nmz+

Sie haben bereits ein Online Abo? Hier einloggen.

 

Testen Sie das Digital Abo drei Monate lang für nur € 4,50

oder upgraden Sie Ihr bestehendes Print-Abo für nur € 10,00.

Ihr Account wird sofort freigeschaltet!