Indigniert bin ich. Also aufgebracht. Obwohl der letzte Tropfen Wiesn-Maß bei den meisten Oktoberfestverirrten wohl schon lange den Weg über die Speiseröhre in die Porzellanschüssel gefunden hat. Wahlweise in einen Vorgarten im Umfeld der Theresienwiese. Immerhin wurde der größte Musikskandal der Nachkriegszeit schön unter den von menschlichen Überresten verkrusteten Holzboden der Bierzelte gekehrt. Von was ich spreche? Von dieser ausgemachten Unverschämtheit, dieser bodenlosen Geschmacklosigkeit, dass es in einem bayerischen Bierzelt, auf einem bayerischen Traditionsvolksfest und auf bayerischem Grund und Boden doch tatsächlich jemand wagte, bayerische Blasmusik zu spielen! Entschuldigung! Wo kommen wir denn da hin, wenn das jeder machte? Also Blasmusik in bayerischen Bierzelten zu spielen. Warum nicht gleich vegane Hendl (bayerisch für Hühnchen) oder alkoholfreies Bier verkaufen?
Selbiges dachten sich wohl auch einige Besucher des „Bräurosl“-Bierzeltes. Völlig verstört – und wer wäre das nicht – verließen sie das Festzelt und beschwerten sich umgehend per soziale Medien, dass die dort aufspielende Kapelle Josef Menzl es wagte, bayerische Volksmusik unter Zuhilfenahme charakteristischer Blech- und Holzblasinstrumente darzubieten. Eines muss man der Kapelle Josef Menzl freilich lassen: Hund sans scho (bayerisch für: ganz schön verwegen), sich diese Frechheit anzumaßen. Schließlich kommen die Menschen aus dem Norden (alles außerhalb Bayerns) nicht nach München, um sich mit den lokalen Traditionen vertraut zu machen. Die wollen alles wie daheim. Am Kegelabend. Zunge zur Seite, Druckbetankung und dann „Hölle, Hölle, Hölle“ spotzen. Zur Not noch ein abgenudeltes „I can’t get no satisfaction“.
Nun gut. Jetzt mal sachlich. Besagte fünfzehn Bierzeltkunden gehen also ob der Blasmusik völlig aus dem Sattel (hier: aus der Bierbank) und beschimpfen per Facebook die Kapelle und den Festwirt. Letzterer knickt ob der überschaubaren Kritik überraschenderweise sofort ein und sorgt für eine Partyband, die dem Saufmob entsprechend adäquates Liedmaterial kredenzt, sprich: alles, was nach einer Maß noch grölbar ist. Kapitalismus schlägt Kultur, die Minderheit die Mehrheit. Zur Verteidigung lässt der Festwirt ausrichten, „die Situation falsch eingeschätzt zu haben“. Muss man nicht verstehen, denn was genau hat er sich unter der Bierzeltkundschaft vorgestellt? Feinschmecker aus Frankreich? Biersommeliers aus der Schweiz? Wie auch immer.
Diese Diskriminierung der bayerischen Volksmusik in Bierzelten kann so nicht weitergehen. Fakt ist. Man kann nicht mehr jede und jeden auf die Wiesn lassen. Ein Einwanderungsprozedere für ein Wiesn-Visum ist unumgänglich. Dazu gehören aus meiner Sicht ein 14-tägiger Intensivkurs „Schuhplatteln“ mit Abschlusstest auf dem Gäubodenfest sowie ein dreitägiger Dauertest im Weißwurstzuzeln. Denn wer würde das schon in einem bayerischen Bierzelt erwarten? Auf eine friedliche nächste Wiesn.