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Ramadama

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Lange hat er rührend den Freund der Independent Labels und damit des Mittelstands gegeben. Letztendlich scheint EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti mit seiner Kommission keine Bedenken mehr zu haben, der Fusion zwischen den Musiklabels Sony Music und BMG den europäischen Segen zu erteilen. Natürlich auflagenfrei. Man möchte die darbende Industrie ja moralisch subventionieren.

Ein Zusammenschluss mit Folgen: Die Fusion würde „Sony BMG“ zum größten Musiklabel der Welt machen. Nach aktuellen Zahlen der IFPI ist der Marktanteil des derzeitigen Weltmarktführers Universal auf 23,5 Prozent gefallen. „Sony BMG“ hätte miteinander 25,1 Prozent. Den Sinneswandel in der EU-Kommission rief ein Treffen von Label-Vertretern und Wettbewerbsschützern hervor. Offensichtlich ließen sich die Beamten von den Phonoindustriellen einlullen und folgten der Argumentation des Jammerns: „Der Musikmarkt sei durch illegale Downloads und der unsachgemäßen Benutzung von CD-Brennern in einer schwierigen Situation“. Gutgläubig folgte Montis Arbeitstrupp dem Armuts-Plädoyer, das Einsparungen bis 400 Mio. Dollar nach sich ziehen soll.

Wie diese Rationalisierungen mit der von BMG-Präsident Maarten Steinkamp angekündigten Wende in der Künstlerpolitik (Superstars raus, frische Stars langfristig aufbauen) in Einklang zu bringen sind, bleibt unklar. Denn: Wer weiß denn bei BMG noch, wie Stars mit Potential über Jahre aufgebaut werden? Wo sind denn die Produzenten und Komponisten, die Songs schreiben bzw. arrangieren können aber wegen Bohlen nicht mehr durften? Welcher A&R (Artist & Repertoire) hat im Haus Bertelsmann noch das Gespür Talente zu sichten? In Zeiten des Casting-Wahns wurden jene Mitarbeiter hinaus komplementiert. Diese Arbeitsplätze müssen im Sinn der neuen BMG-Politik neu und durch Personalinvestitionen neu besetzt werden. Künstleraufbau bedeutet nach wie vor zu investieren und bleibt riskant. Zwar verweisen die Labels auf Cash-Cows wie Jennifer Lopez (Sony) und Santana (BMG), aber sicher sind diese Einnahmequellen nicht, betrachtet man die Verkaufseinbrüche solcher Altstars wie George Michael, Michael Jackson.

Die Argumentations-Schwäche der Labels vor der EU bekommt zudem einen faden Beigeschmack, weil der kapitalste, selbst verursachte Fehler, unter den Verhandlungs-Tisch gekehrt wurde: Das Verschlafen des digitalen Zeitalters. Sündhaft teure Download-Plattformen veröden. Urheberrechts-Fragen warten auf Antworten (Stichwort CeBit) und attraktive Preispolitik bleibt der Industrie getreu dem Motto „Absahnen statt Abladen“ fremdartig. Da die EU für diese Art der verfehlten Unternehmens-Politik immer ein offenes Ohr hat, sind weitere Einwände bezüglich des Mergers kaum zu erwarten.

Hilfesuchend blickt man also zu den Independent Labels dieser Welt. Diesem Gallier Dorf der Phonobranche. Wie reagieren sie auf den Zusammenschluss (Entscheidung am 22. Juli 2004) – schließlich würde ihr Anteil am weltweiten Musikmarkt nach der Fusion von 27,1 auf 25,3 Prozent fallen. Zunächst einmal mit zaghaften Pressemitteilungen der IMPALA (Zusammenschluss prominenter Independent Labels): Man findet den Merger bedrohlich und klagt, falls die Genehmigung ohne Auflagen erteilt wird, denn der Musikmarkt würde künftig von zwei Großmächten beherrscht. Die alte Thesenkette eben.

Schade, dass die Indie Labels immer noch keinen Weg gefunden haben zu agieren statt auf Entwicklungen der Majors zu reagieren.

Vielleicht werden sie sich bald ärgern, nicht konsequenter gehandelt (Vertriebsstrukturen, Marketingkonzepte) und nur hier und da Synergien-Geplänkel initiiert zu haben. Dann, wenn den Majors wieder eingefallen ist, wie man Stars á la Madonna aufbaut. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die Gespräche der Indie Labels mit den Wettbewerbshütern bringen. Vielleicht fällt die Kommission noch einmal um. Vielleicht entschließt man sich, Musik wieder in den Mittelpunkt zu stellen. EMI und Warner haben unabwartend schon mal das Aufgebot bestellt.

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