Der Orchesterausschuss des Deutschen Bühnenvereins hat Angst, dass die Konzertsäle zu Musikmuseen verkommen, und fordert, dass mehr zeitgenössische Musik gespielt werden müsse. Aber nicht „Pink“ oder „DJ Daddel“ sondern eben richtige zeitgenössische Musik, so mit Orchester im Graben oder auf der Bühne. Da aber das heutige Publikum die Sprache der zeitgenössischen Musik nicht verstehe, anders als bei der Alten Musik, müsse man zu Präsentationsformen finden, „jenseits von Frack und steifem Ambiente“, wie es in der Pressemeldung heißt. Bei der alten Musik ist das ja offensichtlich nicht nötig, denn da gehört Frack und steifes Ambiente zum guten Ton. Wissen wir doch alle. Aber der Vorschlag sitzt und hat ein eifriges Echo bekommen – sogar vorauseilend.
Der Deutsche Musikrat zeigt sich auch unsteif und hat ein Blog für seine Mitgliederversammlung einrichten lassen. Ein paar Mitglieder von den acht Millionen kann man dann auch auf einem Foto dort sehen. So wurde unsteif präsentiert, was in Wirklichkeit an Steife kaum zu übertreffen gewesen wäre: ein frackloses Gespräch mit Politikern und die Übergabe einer unsteifen Resolution zum Laienmusizieren. Ein One-Day-Stand, dieses Blog, denn den zweiten unsteifen Tag der Mitgliederversammlung hat man erst gar nicht gebloggt (http://musikrat.nmz.de/
Unsteif und sehr geschmeidig zeigte sich auch die Intendantin der Deutschen Oper Berlin, als sie verkündete, man werde auf Grund irgendwelcher potentieller Drohungen von weiteren Aufführungen der Oper „Idomeneo“ absehen. Gutmeinende vermuteten, es handle sich um einen der modernsten Marketing-Gags der Opernnachkriegsgeschichte. Das nennt man dann fracklos-unsteife Präsentationsformen. Plötzlich redete man wieder von der Deutschen Oper Berlin, sogar in der Tagesschau und bei Jauchs Stern TV. Raffiniert: So kann der Fokus auf eine Inszenierung der Intendantin selbst fallen, das Stück „Germania“ – die andernfalls kaum jemand bemerkt hätte. Trick 17 aus der Klamottenkiste der PR.
Übrigens: Einer der größten Sprengmeister von Opernhäusern darf immer noch ohne Leibesvisitation ans Pult treten: Pierre Boulez, im Anzug und völlig steif sogar – Einreise- und Berufsverbot wären nur konsequent, meint