Heinz-Klaus Metzger hat vor einiger Zeit einmal dem Sinn nach gesagt, dass Postmoderne schon deshalb nicht stattfinden könne, weil sich die Moderne noch gar nicht umfassend ereignet habe. Was soll man dann zum Begriff „Zweite Moderne“ sagen, der derzeit mehrerenorts, etwa auch bei der Münchener Biennale, vehement proklamiert wird? Ginge es nach Metzger, so hieße dies: Ohne vollendete Moderne keine Postmoderne und schon gar keine zweite Moderne.
Natürlich brauchen wir jetzt nicht beginnen, Erbsen zu zählen – oder die Anzahl von „Modernen“, deren Plural sich ohnehin eigenartig ausnimmt. An Metzgers Behauptung ist freilich einiges dran. Ebenso wenig wie ein Regenguss den Sommer vertreiben kann, so vermochte es auch nicht die vor gut 20 Jahren mit so viel Fanfarenklängen ausgerufene Postmoderne; zumindest in der Musik. Im Rückblick ist es schon erstaunlich, wie wenig fruchtbar diese Schläge gegen die Moderne waren, die einst auszogen, um Tabula rasa zu machen gegen alles, was nach Fortschritt, Materialdebatte oder Adornismus klang. Was geblieben ist, ist ein doppelter Katzenjammer. Es mag sein, dass das avancierte musikalische Denken in den späten 50er- und in den 60er-Jahren insoweit in die Erstarrung getrieben war, dass vor allem die B-Riege der Komponisten meinte, einfach in Materialmodernismen weiterzuwursteln. Alle Komponisten von Rang freilich spürten damals, dass dies nicht möglich sei, was zu einer merkwürdigen Lähmung vieler Komponisten in den 70er-Jahren führte – genannt seien stellvertretend Ligeti, Lutoslawski, Boulez, Nono, Lachenmann und Schnebel. Nur wenige davon dachten freilich daran, den Begriff der Moderne selbst über Bord zu werfen. Und wo es geschah, wie etwa bei Penderecki, gingen in der Regel spürbare Qualitätseinbußen einher.
In dieser Situation wurde die ältere Generation von der jüngeren rechts überholt. Die damals erregt aufflackernden Debatten waren freilich vor allem Indiz dafür, wie irritiert die ältere Generation in diesen Tagen war. Es war jedenfalls, zumindest im Nachhinein lässt sich das konstatieren, nicht das argumentative Gewicht der Jugend, die die Heftigkeit der Debatten begründete. Denn im wesentlichen kam von da nur die Haltung von Verweigerung, das Postulat eines „Zurück zu“, das Liebäugeln mit dem zu kurz gefassten Begriff des Hörvergnügens.
Dass sich darauf nur wenig aufbauen ließ, liegt heute offen zutage. Dennoch hat der Ruf nach einer zweiten Moderne etwas Problematisches: Zumindest wenn man ihn so versteht, dass sich Moderne einfach ausrufen oder verordnen ließe. Das mochte bei jenen postmodernen Kindereien möglich gewesen sein, die keine Werte schufen, sondern nur mit den alten schusserten. Der emphatische Begriff der Moderne aber verpflichtet zu schöpferischem Tun, zur Anstrengung, neu zu hören, Klänge neu zu begreifen. Das aber verlangt Mühsal des geistigen wie sinnlichen Sensoriums. So wäre wohl der Begriff einer zweiten Moderne moderat zurückzufahren, nicht nur um die Lawine von x Modernen und x Postmodernen schon vor dem Lostreten zu stoppen. Man mag ihn verstehen als Aufforderung zu verantwortungsvollem schöpferischem Tun. Das Ethos des Schaffens, das im postmodernen Getriebe einige Blessuren davontrug, darf wieder in alte Rechte treten. Eigentlich Normalzustand, solange Kunst in der Welt bleiben will – dennoch nicht schlecht.