Es hat sich mittlerweile zu einem formidablen Marketing-Instrument verselbstständigt. Remixe müssen sein, irgendwie. Sie fördern die Präsenz der Stars, ohne dass diese wirklich mit neuem Material aufzuwarten hätten. Die Produzenten und Tonstudio-Wizards werden’s schon richten, und ein aufgepepptes Video wird’s verbreiten. Jennifer Lopez kann erst einmal wieder einen Film drehen oder sich um ihren Hintern kümmern, während trotzdem ein, zwei „neue“ Clips in der Rotation sind. Und Destiny’s Child können ihre Tour vorbereiten, während aufgefrischte Versionen ihrer Hits durch die Charts geistern. Alles nur Verkaufsförderung.
Es hat sich mittlerweile zu einem formidablen Marketing-Instrument verselbstständigt. Remixe müssen sein, irgendwie. Sie fördern die Präsenz der Stars, ohne dass diese wirklich mit neuem Material aufzuwarten hätten. Die Produzenten und Tonstudio-Wizards werden’s schon richten, und ein aufgepepptes Video wird’s verbreiten. Jennifer Lopez kann erst einmal wieder einen Film drehen oder sich um ihren Hintern kümmern, während trotzdem ein, zwei „neue“ Clips in der Rotation sind. Und Destiny’s Child können ihre Tour vorbereiten, während aufgefrischte Versionen ihrer Hits durch die Charts geistern. Alles nur Verkaufsförderung.Moment mal. Selbst kulturmüde Fatalisten sehen mittlerweile ein, dass sich das Remix-Wesen wesentlich facettenreicher darstellt. Selbst kulturmüde Fatalisten ziehen vor der Raffinesse den Hut, mit der so mancher ohnehin einfallsreich gestrickte Hit von Destiny’s Child für das Album „This Is The Remix“ mit neuen musikalischen Aspekten redefiniert wird. Gerade bei scheinbar abgenudelten Songs wie „Survivor“ und „Independent Women Part II“ weiß man hier vor lauter überbordender Musikalität nicht, welcher Klangebene man zuerst lauschen möchte. Tatsächlich entpuppen sich diese Versionen als Übererfüllung auf allen Ebenen der Remix-Tradition: Als kreative Aneignung des produzierenden Künstlers, der das Original bereichert, wie auch in der Funktion als Euphorie-Ventil auf der Tanzfläche, wie sie im Jamaika der 60er-Jahre und in den anglo-amerikanisch bestimmten Diskotheken in den 70ern installiert worden war.Im Verlaufe der letzten zehn Jahre hat sich das Primat des Remixes als Version für die Tanzfläche abgeschwächt zugunsten eines Interesses an der Re-Definition eines Musikstückes. Mit der enormen Verbreitung und Verfügbarkeit der technischen Produktionsmittel (das virtuelle Tonstudio als Computerprogramm ist längst für alle erschwinglich) blüht das heimische Musizieren in ungeahntem Ausmaß. Mit Vorliebe wird an bestehenden Musikstücken herumgefingert, gern stellen Stars wie Janet Jackson auf ihrer Homepage ein paar Spuren zum Üben zur Verfügung.
Man muss ja nicht gleich soweit gehen wie die Internetfirma Epimusic. Die hat unter der Losung „Wie kreativ ist das Kollektiv?“ zu einem Remix-Wettbewerb eines Stückes aufgerufen, um mit der Anzahl von 1.000 Remixen einfach nur ins Guinnessbuch der Rekorde Einzug zu halten. Wesentlich interessierter an unentdeckten musikalischen Qualitäten zeigt sich das belgische Elektro-Pop Duo Ming. Das stellte im Spätherbst des vergangenen Jahres die Basis-Tracks einiger ihrer Songs auf die Internet-Seite einer deutschen Musikzeitschrift und bat um Bearbeitung. Die Ergebnisse fanden sie und ihre kleine Plattenfirma in Dresden so spannend, dass ihr Album „Extérieur Remix“ gerade als Doppel-CD erschienen ist. Für CD 2 haben Ming ihre sechs Lieblingsremixe aus jenem Wettbewerb ausgewählt. Bemerkenswert ist nicht unbedingt die Aktion selbst, sondern die Sensibilität der Arbeiten, die ohne weiteres neben den „offiziellen“ Remixen der CD 1 bestehen, die von diversen Vertretern einer alternativen, progressiven Popkultur stammen, unter anderem von Musikern der Band Kante, von Barbara Morgenstern oder Hans Platzgumer. Mings Lieder sind zugleich zart, lieblich und abgründig, mal tanzbar, mal elegisch. Frédérique (die kleine Frau) und Nicolas (der große Junge) sind Film-Fans, vor allem von Rainer Werner Fassbinder, und gerade ihre Hommage an ihn, das Stück „Liebe ist kälter als der Tod“, offenbart hübsche Ansätze in diversen, sensibel zerzupften Fassungen. Ming geht es, wie sie selbst im Interview sagen, mehr um Persönlichkeit als um Funktionalität. „Wir bevorzugen Arbeiten, die sich mit dem Sound, dem speziellen Ambiente oder den Strukturen beschäftigen, anstelle von ‚effizienter’ Musik, die ohne ‚panache’ gemacht ist, wie wir im Französischen sagen, also ohne Originalität und Risiko.“
Remixe als seriöse Neubearbeitungen, über die traditionelle Funktion hinaus – diesen Aspekt betonen auffällig viele Projekte. Das Anliegen ist erfreulich und birgt neue musikalische Erfahrungen, aber manche Ausführung überrascht auch durch Ödnis. So ist das Remix-Album „Expander“ der Berliner Band Mina schief gegangen, weil die zum Remixen geladenen Helden dieser Szene (Jim Avignon, Erobique, der Kölner House-DJ Sinken und andere) zum großen Teil einfach nur den eigenen Sound über die Tracks stülpen und damit auf Nummer sicher gehen, nämlich die üblichen „Indietronic“- oder „Indiedisco“-Klischees bestätigen. Und plötzlich sind in diesem Rahmen wieder die Coverversionen die besseren Beiträge. Wenn etwa der Berliner Schneider TM Minas Single „Desktop“ als „Guestpop“ zum schnurrend-fingerschnippenden Barjazz verkehrt, hat er dem Prinzip des Personality-Remixes ein entwaffnendes Schmunzeln abgerungen.
Apropos Jazz. Manchmal scheint hinter vermeintlich engagierten Projekten mehr Marketing-Interesse zu lauern als in den „Top Ten“-Bereichen. Die „Verve Remixed“ Doppel-CD macht sich mit ihrem Anspruch „festzustellen, wie stark die Verknüpfung zwischen ‚traditionellem’ Jazz und heutiger Dance-Szene ist“ (Presse-Info) schwer verdächtig, einfach nur ein weiteres Produkt für die vor sich hin schofelnden Lounge-Clubs der urban Gelangweilten erzeugt zu haben. Versammelt doch die eine CD zwölf zum Teil ganz hübsche, aber eben mehr oder weniger abgenudelte Originale aus den Jahren zwischen 1956 und 1968 (Willie Bobo, Dinah Washington, Nina Simone, Astrud Gilberto usw.), um auf der anderen CD die Remixe genau jener Stücke zu präsentieren. Da verschmoren dann die üblichen Soft-Dance-Verdächtigen wieder in ihrem eigenen „geschmackvollen“ Konsens-Saft, von Richard Dorfmeister bis De-Phazz, von MJ Cole bis UFO. Und auch wenn diese Zusammenstellung, wie eigentlich jede, den rühmlichen Ausnahmetrack bereithält (hier: Trickys Remix von Billie Holidays „Strange Fruit“), wäre damit bewiesen, dass Personality-Remixe nicht immer für Innovation stehen, sondern manchmal als Name-Dropping einfach nur Werbung für leidlich funktionierende Sounds machen.
Destiny’s Child: This Is The Remix; Columbia/Sony
Ming: Extérieur Remix; Doxa Records/EFA
Mina: Expander; Bungalow/EFA
Verve Remixed; Verve/Universal