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Der freundliche Star

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Zum Tode des Tenorsaxophonisten Joe Henderson
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Die Wege des Jazz-Business sind unerforschlich. Sehr spät, in den 90er-Jahren, kam sein Durchbruch. Joe Henderson (siehe Bild) hatte eine Reihe von Tribut-Alben eingespielt und sich vor Billy Strayhorn, Miles Davis und Tom Jobim verbeugt, als die Öffentlichkeit in dem seit Jahren relativ im Hintergrund wirkenden Joe Henderson einen Giganten ausmachte.

Die Wege des Jazz-Business sind unerforschlich. Sehr spät, in den 90er-Jahren, kam sein Durchbruch. Joe Henderson (siehe Bild) hatte eine Reihe von Tribut-Alben eingespielt und sich vor Billy Strayhorn, Miles Davis und Tom Jobim verbeugt, als die Öffentlichkeit in dem seit Jahren relativ im Hintergrund wirkenden Joe Henderson einen Giganten ausmachte.Auf „Page One“, seinem Debüt-Album für Blue Note, hatte Henderson schon 1963 Jazzgeschichte geschrieben und mit Kenny Dorhams „Blue Bossa“ und seinem eigenen „Recorda-Me“ gleich zwei Jazzklassiker vorgestellt. Auch seine späteren Blue-Note- und Milestone-Aufnahmen der 60er- und 70er-Jahre sowie sein Spiel als Sideman bei Größen wie Horace Silver und Herbie Hancock beweisen, dass Henderson schon immer auf höchstem Niveau musizierte. Ich habe nur einmal kurz mit ihm gesprochen, aber Hendersons unglaublich liebevolle, freundliche Ausstrahlung habe ich in besserer Erinnerung als so manches stundenlange Interview mit anderen Musikern.

Dieses freundliche Wesen, das sich auch in seiner Musik widerspiegelte, muss neben seiner schöpferischen Potenz dafür verantwortlich gewesen sein, dass Joe Henderson trotz seines keineswegs hitparaden-tauglichen Stils „im Alter“ noch überall so gut ankam – der am 24. April 1937 in Lima, Ohio, Geborene starb erst 64-jährig am 30. Juni in San Francisco. Sein saxophonistischer Stil war eine in ihrer Vollkommenheit kuriose Verbindung von Gegensätzen.

Sein Spiel war ebenso kraftvoll, wie es weich war. Dabei erinnerte es an Sonny Rollins und John Coltrane wie an Lester Young und Stan Getz. Aber solche Vergleiche sind unsinnig; es ist nahezu unmöglich, Henderson mit einem anderen zu verwechseln. Er spielte ebenso traditionsbewusst, wie er modern, neugierig und offen für das noch Ungesagte war. Seine Linien waren oft abstrakt, seine Besetzungen (darunter klavierlose Trios) kaum Breitenwirkung versprechend – und doch war seine Musik offensichtlich zugänglich genug, um sogar in den 90er-Jahren anzukommen, einer Seichtheiten hingegebenen Zeit.

Dass Joe Henderson seinen Stil nicht einmal zu Ungunsten seiner großen jazzmäßigen Qualitäten ändern musste, um plötzlich ein großer Star zu sein, dürften viele von uns als Hoffnungszeichen gewertet haben. Aufrichtige Kunst wird langfristig offensichtlich doch honoriert, zumindest manchmal. Vielen Dank, Joe Henderson.

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