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Claude Nobs kann Geschichten erzählen: „Als man mich damals in Amerika fragte, woher ich denn komme, und ich sagte ‚Montreux‘ war die Reaktion immer die gleiche - ‚Montroi? What is this?‘ Ich kam zurück in die Schweiz mit einer Wut im Bauch, lief zum Fremdenverkehrsverein und meinte, jetzt müsse man was machen, ein Jazzfestival zum Beispiel. Die Reaktion allerdings war verhalten. Ein Jazzfestival, um Montreux in Amerika bekannt zu machen?“
Das war vor 32 Jahren. Inzwischen zweifelt niemand mehr daran, daß der Jazz die Stadt am Genfer See berühmt gemacht hat. Im vergangenen Jahr strömten zum 30jährigen Jubiläum des Montreux Jazz Festivals immerhin 170.000 Leute für die zwei Konzertwochen in die Säle und über die Uferpromenaden. Und heuer werden es kaum weniger sein. Denn das Programm, mit dem die Veranstaltungsreihe vom 4. bis zum 19.7. die Musikfans in die Stadt lockt, versucht ein möglichst breites Spektrum der Geschmäcker von Pop über Jazz bis zu weltmusikalischen Klängen abzudecken. Zu den fünf bis sieben allabentlichen Topacts im Auditorium Stravinski und der Miles Davis Hall kommen noch rund 200 kostenlose Konzerte auf diversen Innen- und Außenbühnen über die Stadt verteilt.
Das Programm reicht von den wiedererstandenen Edelpoppern Supertramp (7.7.) bis zur Rocklady Sheryl Crow (10.7.), vom Ethnotouristen David Byrne (15.7.) bis zum Reggae-Erben Ziggy Marley (16.7.), vom Blues-Großvater B.B.King (8.7.) bis zum Hip-hop-Jazzer Courtney Pine (14.7.), vom Brasilien-Star Gilberto Gil (5.7.) bis zu David Murray Senegal-Revue „Fo Deuk“ (8.7.). Nicht nur die Besonderheiten wie die Weltpremieren der Upper-Class-Jazzcombo ‚Legends‘ des Blues-Haudegens Eric Clapton (4.9.), wie der Carte-Blanche-Abend, der in diesem Jahr dem Chansonnier und Komponisten Charles Aznavour die Chance gibt, sich sein Lieblingsprogramm zusammenzustellen (12.7.) oder auch wie die Dampferparties des Bahia (5.7.) oder Memphis Boats (12.7.) weisen die Richtung, in die sich das Jazz Festival innerhalb von 31 Jahren entwickelt hat. Es geht um anspruchsvolle Unterhaltung, ohne allzu schärge Töne. So ist heuer das vielleicht schrillste und komplexeste der Gefühle das Gastspiel des Vienna Art Orchestras (15.7.) oder das des Kronos Quartets (6.7.). Denn Festivalleiter Claude Nobs will, daß sich die Gäste der Stadt wohlfühlen: „Wir haben neuerdings sogar einen Kindergarten mit Betreuung. Denn wenn die Kinder happy sind, sind auch die Erwachsenen happy.“ (Weitere Informationen unter 0041 / 21 / 6 234 567 oder http://www.grolier.fr./festival/montreux )
Was sich am Genfer See auf mehr als zwei Wochen verteilt, passiert an der Nordsee innerhalb von drei Tagen. Für das 22. North Sea Jazz Festival im Kongresszentrum des niederländischen The Hague versammeln sich vom 11.7. bis zum 13.7.97 auf 14 Bühnen an einem Veranstaltungstag gleichzeitig bis zu 60 Bands unterschiedlicher, durchaus auch experimenteller und unkonventioneller musikalischer Provenienz. Die Konzertmarathons beginnen meist ab 17 Uhr am Nachmittag und enden tief in der Nacht, wenn auch der letzte Jazzfan vom Klappstuhl rutscht. Aus der statistisch nahezu unendlichen Kombination interessanter Einzelevents hier ein möglicher thematisch zusammenhän-gender Festivalführer unter dem Motto „Junge Stars und Hoffnungsträger“:
Der Freitag (11.7.) beginnt um 18 Uhr mit Trompetenaufsteiger Tom Harrell, führt nach einem Kurzbesuch beim Pianisten Mulgrew Miller zum Klarinettisten Don Byron, erlaubt ein paar Minuten Pause, um dann nach Joshua Redmans Saxophon beim Kuba-Projekt „Crisol“ des Trompeters Roy Hargrove und schließlich dem New Orleans-Special von The Dirty Dozen zu landen. Ebenfalls um 18 Uhr kann man am Samstag (12.7.) mit den Saxophonisten Greg Osby und David Sanchez sich zu den famosen Pianisten Brad Mehldau und Michel Camilo leiten lassen, um dann den Abend mit Steve Colemans Saxophonkaskaden zu beschließen.
Der Sonntag beginnt bereits um 17 Uhr mit dem Pianisten Danilo Perez und kann dann entweder mit den Klavierkollegen Geri Allen und Cyrus Chestnut oder alternativ mit Buckshot Lefonque, dem Hiphop-Projekt des Saxophonisten Brandford Marsalis, dem kalifornischen Gitarristen Charlie Hunter, den Japanern vom Soul Bossa Trio und schließlich dem Miles Davis-Zögling Kenny Garrett enden. Darüber hinaus lassen sich von Ray Charles (11.7.) bis Michel Legrand (12.7.), von Ahmad Jamal (11.7.) bis Joe Henderson (13.7.), von Martial Solal (13.7.) bis Anthony Braxton (13.7.), von Miriam Makeba (11.7.) bis Ivan Lins (12.7.) unter beliebigen Vorzeichen spannende Konzertkombinationen erstellen, so daß sich zuletzt eigentlich nur noch die Frage stellt: Wer soll, wer kann das alles hören? (Weitere Informationen bei Konzertkasse Lange, Duisburg, Tel: 0203 / 287 045/-6/-7).