Geschichten über Frauen im Pop-Business sind immer noch Opfer-Geschichten. Aber sie enden nicht mehr so oft und vor allem nicht mehr so leicht und selbstverständlich tragisch wie in der Ära der großen Jazz-, Blues- und Soul-Queens, die über kurz oder lang in der Gosse oder im Grab landeten. Die Opfer-Geschichten werden jetzt von den Frauen selbst erzählt und sie sind nur das Vor-Spiel einer vertrackten Erfolgsgeschichte, bei der man nicht so genau weiß, ob sie tatsächlich der Emanzipation und geänderten Geschlechts- und Geschäfts-Verhältnissen dient oder doch nur den Renditewünschen der renovierten Traum-Fabriken des 21. Jahrhunderts. Sind die Frauen im Pop souverän geworden – oder wurde Cinderella nur ein neues Outfit verpasst?
Geschichten über Frauen im Pop-Business sind immer noch Opfer-Geschichten. Aber sie enden nicht mehr so oft und vor allem nicht mehr so leicht und selbstverständlich tragisch wie in der Ära der großen Jazz-, Blues- und Soul-Queens, die über kurz oder lang in der Gosse oder im Grab landeten. Die Opfer-Geschichten werden jetzt von den Frauen selbst erzählt und sie sind nur das Vor-Spiel einer vertrackten Erfolgsgeschichte, bei der man nicht so genau weiß, ob sie tatsächlich der Emanzipation und geänderten Geschlechts- und Geschäfts-Verhältnissen dient oder doch nur den Renditewünschen der renovierten Traum-Fabriken des 21. Jahrhunderts. Sind die Frauen im Pop souverän geworden – oder wurde Cinderella nur ein neues Outfit verpasst?Früher waren Frauen nur Puppen an Fäden, selbst wenn sie für die Fans Göttinnen waren, Ikonen unerreichbaren Glamours und einer glücksverheißenden Gratis-Erotik. Erst Madonna begann selbst an den Fäden zu ziehen; nicht als Bohème-Aschenputtel im sozialen Abseits, sondern als Shareholder-Value-Prinzessin eines entfesselten Mainstreams, der selbst noch Avantgarde-Experimente und radical chic massenkompatibel zu machen schien. Bei Aimee Mann liegt der Fall anders: Sie hat eine lange Karriere als „Til Tuesday“-Frontfrau hinter sich, während der sie sich scheinbar auf die überoptimalen Auslöser helle Stimme und blonde Haare reduzieren ließ. Renitent wurde sie erst, als man sie zu sehr auf ihren Popstar-Bildauftrag festzulegen versuchte (vermintes Terrain, wo sie sich schwach und unsicher fühlte) und ihre Stärken, Texte schreiben und Songs basteln, vernachlässigte und torpedierte. Aimee Mann ist nicht Madonna; sie konnte aus ihrem Willen zur Selbstständigkeit nicht Kapital schlagen. Aber sie war bereit, Verzicht zu leisten. Sie kaufte sogar ihre eigenen Songs zurück – und wurde darüber zum Mega-Star. Denn genau so lesen sich ja die all american Erfolgsgeschichten, in deren Zentrum immer einer steht, der auf seiner Identität besteht und an sich glaubt. Aimee Manns Songs sind der passende Soundtrack zur Chronik der laufenden Ereignisse; kein Wunder also, dass Hollywood, von „Jerry Maguire“ bis (ganz und gar triumphal!) „Magnolia“ sie entdeckt hat – und dass ihr wiederangeeignetes Meisterwerk „Bachelor No. 2“ (V 2) zum role-model für die neueste Identitäts-Produktion wurde. Zu Recht! Denn die Lieder sind nicht so querköpfig, wie ihre Geschichte es vermuten ließe. Sie sind brüchig, aber auch strahlend: Melodien für Millionen, die sich in ihnen wieder erkennen. Dass nichts gut genug sei, dieser hymnische Protestsong ohne klaren Adressaten spricht vielen gerade deshalb aus der Seele, weil er sich in ermüdenden Beziehungsschlachten genauso verwenden lässt wie als ultimatives Argument im Berufsalltag. Aimee Mann führt vor, wie man gerade dadurch, dass man keine Kompromisse macht (und das lautstark verkündet!) mitten im Herzen der Gegenwart ankommen – und dabei ganz wunderbar bleiben kann.Die drei Country-Damen aus Albuquerque, New Mexico, die sich Mitte der 90er-Jahre den Namen „Hazeldine“ gaben, hat es härter getroffen. Sie wurden im Minenfeld einer Mega-Fusion so gründlich zerzaust, dass womöglich selbst die späte, reuige Rückkehr zur Indie-Heimat Glitterhouse, wo einst die Karriere begann, nichts mehr nützt.
„Double Back“, das dritte Album, sofern man bereit ist, das in Industrie-Tresoren verschollene zweite mitzuzählen, trägt schwer an der eigenen Geschichte. Das Schicksal hat sich in den Arrangements sedimentiert, die zum Teil bleischwer wirken. Die Melodien schielen auf Zustimmung und der Sound leidet unter der Art von „Intensität“, wie man sie von heftig „muggenden“ Alt-Rockern kennt, die an ihrer juvenilen Vitalität auch nicht den mindesten Zweifel aufkommen lassen wollen.
Goldfrapp, das Darling-Duo der Saison, geht da einen anderen Weg. Alison Goldfrapp hatte lange TripHop- und Techno-Acts wie Tricky und Orbital ihre Stimme geliehen, Multi-Instrumentalist Will Gregory sein hartes Brot mit funktionalen Filmmusiken verdient. Jetzt wollen sie, so die geniale Geschäftsidee, nur noch das machen, was ihnen selbst gefällt. Das klingt dann so unzeitgemäß, dass es hysterische Trendforscher nur unverschämt trendy finden können. Und wie klingt es? So „out of time“, dass man Schwierigkeiten hat zu sagen, in welchem Jahrzehnt man sich befindet. Alison schwärmt von Marlene Dietrich, klingt aber auch ganz ungeniert wie Björk. Schräg-glamouröse und sinister-erotische Duos der Pop-History wie Lee Hazlewood/Nancy Sinatra oder Serge Gainsbourg/Jane Birkin werden en passant als Vorbilder genannt und der Zuhörer fühlt sich auf die smootheste Weise in eine schwüle Hotel-Lounge oder in einen weichen Kino-Sessel gebeamt. Alles ist möglich, nur kein Druck: Der hypnotische Goldfrapp-Sound („Felt Mountain“/Mute) bezeichnet eine garantiert Bassdrum-freie Zone.
Das unterscheidet ihn von Jill Scott, bei der die tiefen rhythmischen Töne das strukturelle Fundament für die berü-ckende Wiederbelebung eines Genres bilden, das schon mit allen Ehren zu Grabe getragen wurde: R’n’B ist hier der etwas heftigere schwarze Soul, strotzend nicht nur von überbordendem Gefühl, sondern auch von einem Selbstbewusstsein, das nichts Geringeres versucht als eine wüste Definition der Gegenwart jenseits aller Sexismen und Rassismen. Dabei bleibt Jill Scott jedoch im Bann all der Unausrottbarkeiten, die ihnen zugrunde liegen. Nenn’ es Glück, nenn’ es Schmerz, nenn’ es Sex oder einfach die Dinge des Lebens. „Who Is Jill Scott“ (Epic/Sony) ist nicht mehr ganz taufrisch, aber immer noch so etwas wie das Album des Jahres. Jedenfalls im Kontext überwundenen Opfer-Raps: Jung, schwarz, weiblich, selbstbewusst sucht...