Köln war ein gutes Pflaster für den Deutschen Jazzpreis. Aus Bremen hatte er sich vor zwei Jahren mit einem rechten Desaster verabschiedet. Der Umzug war dann mit einer wuchtigen Reform verbunden, die die größten Mängel beseitigte: Den Kategorien-Wildwuchs, die fast manische Bevorteilung des Abseitigen und Unbekannten und nicht zuletzt den schreienden Dilettantismus der Präsentation.

Festival des Jahres: Organisatorinnen des PENG Festivals. Foto: Robert Winter
Schöne Show für die eigene Bubble
Ins Kölner E-Werk zog mehr Professionalität ein, was sich heuer fortsetzte. Hadnet Tesfai und Götz Bühler geleiteten souverän durch den Abend. Echte Pannen gab es keine, allerdings auch kaum emotionale Highlights, selbst bei den politischen Statements. Dreimal erklang „Free Palestine!“, zum Beispiel völlig zusammenhanglos am Ende des Manifests, das die Preisträger in der Kategorie „Newcomer“, das Berliner Multikulti-Kollektiv Sonic Interventions, als Dankesrede verlasen. Viel Wichtiges und Richtiges, das da vorher zur Sprache kam, bekam dadurch einen komischen Beigeschmack. Und es wäre klug von den Veranstaltern gewesen, schon vorab klar zu machen, dass sie die Redefreiheit in der allerweitesten Auslegung wahren wollen. Und nicht erst eilfertig hinterher, wie es Bühler dann machen musste.
Was die 76 Nominierungen und 22 Preisträger aus 1.193 Einreichungen angeht, kann man die Juryentscheidungen im Großen und Ganzen mitgehen. Gegen Eva Klesse, die 2024 gleich mit mehreren herausragenden Projekten am Start war, als Künstlerin des Jahres ist nichts einzuwenden. Ebensowenig gegen Kit Downes (als halber Wahlberliner auch national wählbar) bei den Tasten- und Exilantin Ingrid Laubrock bei den Holzblas-Instrumenten oder gegen das Andromeda Mega Express Orchestra als Live-Act des Jahres. Hochverdient auch der Preis für Peter Gall und sein „Love Avatar“ als Album des Jahres, die Auszeichnung des „Allgäu meets India“-Projekts der hr-Bigband mit Matthias Schriefl als Rundfunkproduktion des Jahres und die Ehrung der „Deutschlandreise“-Reihe des Deutschlandfunks als Journalistische Leistung. Gegen Birgitta Flick in der Kategorie „Komposition des Jahres“ konnte man schon deshalb nichts haben, weil sie selbst vehement darauf hinwies, dass ihr „PlanetWoman“ Kollektivkompositionen sind. Und der Lebenswerk-Preis fand mit der DDR-Pionierin Uschi Brüning eine oft ungerecht übersehene würdige Trägerin. Auch wenn dieser Schlusspunkt des Abends anders als in den Jahren zuvor bei Joachim Kühn und Alexander von Schlippenbach eher nüchtern ausfiel.
Jeweils nicht alternativlos, aber sicher auch nicht falsch waren die Auszeichnungen für Sera Kalo (Vokal), Dima Bondarev (Blechblasinstrumente), Nick Dunston (Saiteninstrumente), Philo Tsoungui (Schlagzeug/Perkussion) und das PENG Festival (Festival des Jahres). Bei den verbliebenen internationalen Kategorien darf man Alden Hellmuth als Newcomer des Jahres eine mutige Wahl nennen und die etwas seltsame Kür des 101-jährigen Marshall Allen zum Künstler des Jahres eher als Lebenswerk-Ehrung kategorisieren. Ohne Jihye Lee und ihrem Orchestra zu nahe treten zu wollen, wäre die Kategorie „Großes Ensemble des Jahres international“ verzichtbar.
Auffällig bleibt das amerikanische Übergewicht, schon bei den Nominierungen. Der „Live Act des Jahres international“ Nduduzo Makhathini ist zwar Südafrikaner, aber eben auch Blue-Note-Artist. Einzig bei ØKSE für das Album des Jahres international konnte sich die Jury konzertiert gegen die Amerikaner behaupten. Hier muss sich bei der Jurybesetzung etwas tun, damit international auch wirklich international heißt und die Entwicklung speziell des europäischen Jazz repräsentiert wird.
Auch sonst gibt es natürlich noch Luft nach oben. In der neuen Kategorie „Music Mediation“, grundsätzlich keine schlechte Sache, ergibt es keinen Sinn, aus vier im Saal völlig unbekannten Graswurzel-Projekten zur Jazz-Vermittlung einen Sieger zu küren. Besser würde man hier die 24.000 Euro der Kategorie zu gleichen Teilen vergeben. Die Musikbeiträge waren – wie die gesamte Veranstaltung – zu lange, und vielleicht auch nicht catchy genug. Es bleibt die Kardinalfrage, ob man diese Veranstaltung als sozusagen internes Fest der Szene begreift oder ob man nicht doch auch Werbung nach außen machen will.
Die viel beschworene, tatsächlich bestehende Vielfalt und Qualität des deutschen Jazz ist schön, um seine Außenwirkung ist es aber nicht gut bestellt. Was der Programm-Flyer sehr schön verdeutlichte. Keiner der dort als Grüßende aufgeführten Politiker war da. Der Oberbürgermeister der deutschen Jazzhauptstadt Köln Ralph Elster schickte eine andere Stellvertreterin. Nordrhein-Westfalens Kultus- und Wissenschaftsministerin Ina Brandes fehlte „aus Termingründen“ – der Autor dieser Zeilen hat ganz zufällig erfahren, welchen anderen Termin die Ministerin hatte, von übergeordneter Bedeutung konnte da keine Rede sein. Vom neuen Staatsbeauftragten für Kultur Wolfram Weimer gab es keine Videobotschaft wie von seiner Vorgängerin Claudia Roth (was sachlich-fachlich allerdings kein Schaden war), und sein angekündigter Abteilungsleiter Ingo Mix glänzte ebenfalls durch unentschuldigte Abwesenheit.
Im kommenden Jahr wandert die Veranstaltung zurück nach Bremen und zur Jazzahead. Mal sehen, ob das mehr Resonanz erzeugt.
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