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Jana Gwosdek, Chor des Theaters Koblenz. Foto: © Matthias Baus

Jana Gwosdek, Chor des Theaters Koblenz. Foto: © Matthias Baus

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Ästhetisch gewusst wie – Heggie-Trilogie im Theater-Zelt von Koblenz

Vorspann / Teaser

In Koblenz bekommt man derzeit Opernaufführungen mit einem gewissen Extra geboten. Der Grund: das historische Stammhaus wird in dieser Spielzeit renoviert, weshalb der Spielbetrieb auf verschiedene Orte verteilt wurde. Am öffentlichkeitswirksamsten ist dabei das große Theaterzelt, das direkt neben der Festung Ehrenbreitstein auf dem Plateau gegenüber dem Deutschen Eck aufgebaut wurde. Als kleines Extra ist im Ticketpreis die Seilbahnfahrt zur Festung Ehrenbreitstein enthalten – allein das wäre schon ein Grund für einen Opernbesuch. Die Heggie-Trilogie liefert dafür aber gleich weitere. Auf dem Plateau sieht es zwar auch nicht viel heimeliger als auf einer Baustelle aus, doch im Inneren herrscht eine gemütliche, fast schon wohnliche Atmosphäre. Der Zuschauerraum ist großzügig gestaltet, Bühne und Bestuhlung wirken keineswegs beengt, und von allen Plätzen hat man einen hervorragenden Blick auf das Geschehen. Das klingt nach einem echten Gewinn – wenngleich auch hier nicht alles ohne Einschränkungen abläuft, wie es bei Übergangslösungen oft der Fall ist.

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Ein Beispiel dafür ist die Zeltheizung, die mal dezent, mal hörbar warme Luft einbläst, sowie die in diesem Setting unvermeidliche elektronische Tonverstärkung. In einem Raum wie diesem ist beides schlicht notwendig – schließlich soll niemand frieren und alle sollen verstehen können, was gesungen wird. Und tatsächlich: Bei der Premiere der Heggie-Trilogie ist es trotz frostiger Außentemperaturen angenehm warm im Zelt, und die Textverständlichkeit ist hervorragend, auch wenn die Anlage bei bestimmten Frequenzen hörbar an ihre Grenzen stößt.

Intendant Markus Dietze hat drei Werke des US-amerikanischen Komponisten Jake Heggie auf die Bühne gebracht. Im Zentrum steht der Chor-Einakter „The Radio Hour“, eingerahmt von zwei inszenierten Liedzyklen: „Into the Fire“, über das Leben der Bildhauerin Camille Claudel, sowie „Four Meditations in Love“, basierend auf Texten von Helen Prejean CSJ – jener Ordensfrau, deren Geschichte Heggie auch zu seiner bekannten Oper Dead Man Walking inspirierte. Die wurde während der Corona-Zeit in Koblenz aufgeführt.

Jeder der drei Programmteile hat seine eigene ästhetische Handschrift. Besonders der dritte Teil sticht durch seine Umsetzung als Ballett hervor: Danielle Rohr agiert als einzige Sängerin mitten im Geschehen, begleitet vom hauseigenen Ballettensemble. Die Choreografie von Andreas Heise ist ausdrucksstark und bringt die emotionale Tiefe der Musik auf beeindruckende Weise zum Ausdruck. Danielle Rohr überzeugt dabei mit einer kraftvollen, nuancierten Stimme – intensiv und berührend. Schade nur, dass dieser Abschnitt dramaturgisch wie theatrales Anhängsel wirkt – mit unter 20 Minuten Laufzeit ist er sogar kürzer als die Pause, die eigens dafür eingeschoben wurde. Dennoch wird er vom Koblenzer Publikum begeistert aufgenommen – genauso wie der erste Teil über das tragische Schicksal Camille Claudels. Auch hier glänzt Danielle Rohr mit dramatischer Intensität. Unterstützt wird sie von einem Tänzer (Andreas Heise), der ihre Skulpturen verkörpert, und einer stummen Figur (Franziska Feser), die Claudel bei ihrer Arbeit zeigt. Die Inszenierung ist eindrücklich und emotional packend. Heggies Musik hingegen bleibt vor allem im ersten Teil eher blass. Stilistisch orientiert sie sich stark an Debussy und der Spätromantik, ohne an die Dramatik von Dead Man Walking heranzureichen. Hier übertrumpft die Inszenierung von Markus Dietze klar die musikalische Substanz.

Im Mittelpunkt des Abends steht die Choroper „The Radio Hour“. Die Handlung ist originell: Eine wortlose Protagonistin (überzeugend gespielt von Jana Gwosdek) kehrt nach einem – Zitat – „Scheißtag“ nach Hause zurück, wird vom Radioprogramm förmlich eingesogen und kommt am Ende verwandelt und gestärkt zurück. Eine schöne, nicht kitschige Metapher mit positiver Wirkung. Zudem ist das Stück unterhaltsam: Die Musik ist hier avancierter und facettenreicher, der Chor – einstudiert von Lorenz Höß – brilliert, selbst in turbulenten Szenen bleibt die musikalische Spannung erhalten. Die temporeiche Oper funktioniert bestens – nicht zuletzt dank der überzeugenden Regie von Markus Dietze, die das Potenzial des Werks in einleuchtender Weise herausarbeitet.

Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie liefert trotz erschwerter Bedingungen eine starke Leistung. Da im Zelt kein Orchestergraben vorhanden ist, spielt das Ensemble seitlich der Bühne und wird elektronisch zugespielt. Die Musikerinnen und Musiker haben keinen direkten Sichtkontakt zur Bühne – die Koordination läuft über Monitore. Dennoch gelingt das Zusammenspiel erstaunlich gut – ein Beweis für die hohe Qualität des Ensembles, das unter der Leitung von Sejoon Park und Lorenz Höß (bei der Choroper) spielt.

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