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Tin Men And The Telephone. Foto: Ssirus W. Pakzad
Tin Men And The Telephone. Foto: Ssirus W. Pakzad
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App in die Zukunft – Tin Men And The Telephone kommunizierten beim BMW Welt Jazz Award mit dem Publikum

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Wer sind wir schon ohne Smartphone und App-Downloads, ohne Facebook-Account und im Minutentakt abgesetzte Tweets, in denen dann Gehaltvolles steht wie: „Habe mir gerade ein Butterbrot geschmiert“? Schöne neue Welt. Das holländische Trio „Tin Men And The Telephone“ nimmt unseren asozialen Social Media-Umgang aufs Korn. Das Programm: zum Schreien komisch. ;) Und mitunter hoch musikalisch. Mehrere hundert Personen liken das.

Da atmete manch einer auf. Die Band „Tin Men And The Telephone“ bat vor Konzertbeginn im Doppelkegel der BMW Welt inständig darum, das Smartphone doch bitte unbedingt an zu lassen. Für manch einen ist das Ausschalten dieses Geräts, als würde man die Blutzufuhr zum Gehirn kappen. Glück gehabt.

An diesem Morgen ging es um ein interaktives Konzerterlebnis, und da war der Gebrauch des Kommunikationsmittels unerlässlich. Per App durften die Zuhörer entscheiden, ob dem Bassisten der nächste Chorus gehören soll oder dem Pianisten (fingiert!). Und in der Pause wurde getwittert was das Zeug hält („Audi Sucks“) - nachzulesen auf der großen Projektionswand, die Teil des Tin Men-Konzepts ist (teilweise fingiert). Denn das Trio arbeitet viel mit grafischen Mitteln, mit Filmen, in denen sich Kühe Euter-schlenkernd nach dem jeweiligen Solisten umdrehen und Gemälde lebendig werden.

Akustisch bereitet der flotte Dreier alles auf, was sich anbietet. Das orgasmische Return-Aufstöhnen einer Tennisspielerin dient genauso als Vorlage wie das Muhen gutmütiger niederländischer Rindviecher, wie die Warteschleifen-Ansage, die einen in den Wahnsinn treibt, übereifrige Fußball-Kommentatoren oder dieses hässliche stotternde Störgeräusch, das immer dann auftaucht, wenn man mit dem Handy zu nah an eine elektrische Quelle kommt (hat das eigentlich einen Namen?). Tin Men And The Telephone schneiden diese Materialien virtuos zu rhythmischen Patterns zusammen, die das Trio auf Klavier, Bass und Schlagzeug unisono mitspielt.

Wann immer die Band ohne Bild- und Ton-Zuspielungen einfach mal drauf los musiziert und instrumental dabei ordentlich vom Leder zieht, wartet man gespannt auf den nächsten Gag – der garantiert auch kommt. Hier liegt das kleine Problem der stilistisch über alle Grenzen hinweg fegenden, hoch unterhaltsamen Gruppe. Sie ist zu sehr gefangen im eigenen Konzept. Die vielen klanglichen und optischen Überraschungen, die sie bereithält, sind so originell, dass diese Pointen beim nächsten Konzertbesuch naturgemäß einfach nicht mehr so zünden können. Und so wird sich die Jury des BMW Welt Jazz Award-Wettbewerbs, der „Sense Of Humour“ überschrieben ist, vielleicht doch eher für Bands entscheiden, bei denen man über ein und denselben Scherz oder Vortrag immer wieder so lachen kann wie beim ersten Mal.

Am 9. März wird der Wettbewerb fortgesetzt – mit einem Matinee-Konzert der Schweizer Gruppe „Hildegard Lernt Fliegen“ um den genialischen Sänger, Beatboxer und Kehlkopfakrobaten Andreas Schaerer.

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