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Flashmob des Bayerischen Philharmonie am 5.5.2015. Screenshot
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Beethoven_beats_backstage – Klassik für Auge und Ohr in einer Münchner Clubarena

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Über Hallenkultur wurde endlos diskutiert in der Stadt. Und davon gibt es nun reichlich, vom ehemaligen kunstparkost (auch im Namen seiner Nachkommenschaft) über Muffathalle und Freiheiz und neuraum samt aller München_Mitte_Club_Locations bis ins backstage etwa im waste land der Baustellen_noname_city-Station_Hirschgarten inmitten auf-zurichtender Neubauten. Da wo die Augen mit Lichtblitzen und die Trommelfelle mit BrutalBeats über Grenzen physiologisch sinnvoller Belastbarkeit hinaus gestreichelt werden, gab es jetzt Klassik in der Arena.

Da war die Relation Silberhaarfraktion gegen Jugendtrend mindestens umgedreht zur üblichen Philharmonie-oder-Herkulessaal-Erwartungshaltung. Bizet-Beatbox-Beethoven spielte das Münchner Jugendorchester im Rahmen des Deutschen Jungendorchesterpreises der Jeunesses Musicales Deutschland. Und da war (im Club) backstage reichlich Stimmung wie Spannung im ungewohnten Ambiente von Bambus und Bar, von bunten Lichterketten und lauten Percussion-Sounds. Eltern und Geschwister und sicher ein paar junge Party-Producer stellten sich darauf ein, dass das Auge mithören soll, beim Klang-Licht-Konzert des ROBEAT featurenden Jungspund-Verbunds.

Leistungsfördernde Aufgeregtheit machte sich breit, Lichtblitze zuckten durchs Areal, geduldige Warteschlangen bewegten sich schneckengleich zum Nebeneingang, der den umsatzstärkenden Hauptweg nicht beim eigentlichen Deal der Profitmaximierung tangieren sollte. Lockere Atmosphäre im Vorfeld, der moderierende ROBEAT bemühte sich der Klassik unterstellte Steifheit zu umgehen. Und produzierte dabei den einen oder auch den anderen leicht flachen Ausrutscher. Bizets Kinderspielen Opus 22 sollte auf drei Großleinwänden mit etwas naiv gezeichneter Bebilderung Aufklärung zuteil werden, Jürgen Christs neuestes Opus, jüngst uraufgeführt, trägt den Titel Konzertsinfonie für Human Beatbox und Orchester und umfängt uns im Gusto der Neuen Tonalität in einer neu gedachten Klangwelt, die von John Williams und Ennio Morricone und Darius Milhaud ausgehend unterwegs ist an die Gestade im Nebel, in die Regionen des Geheimnisvollen, die es zu enträtseln gilt. Eine knallbunte Scheinwerferflut soll dabei helfen – lenkt aber vorwiegend vom musikalischen Text und den raffinierten Human Beatbox Virtuositäten von ROBEAT ab. Schließlich gilt es, sich die Augen mit mitgelieferter schwarzer Binde zu verhüllen, um Beethovens Schicksalssymphonie – was ausführlich dargelegt wird – im ersten Satz wenigstens unabgelenkt vom Visuellen als Musik pur wahrnehmen zu können. Später dann wollen zielgerichtete Scheinwerferabstrahlungen im Nebelduktus und abgedunkelte Bereiche dem Unvorhersehbaren gewidmete Segmente (aufgesetzter) Magie zur Preisgabe ihrer Rätsel erwecken. Was optisch nicht ganz so gelingt.

Musikalisch begeistern die jungen Menschen durch die Bank. Was da an Freude und Ehrgeiz und purer Musikalität abgeht, das bringt Lust ins Haus, Spaß gar in die Halle. Und die Begeisterung kennt keine Grenzen am Ende, als da die Bravo´s knallen und die Zugaben gefordert werden – die nicht kommen. Der ebenfalls sehr junge Dirigent Henri Bonamy würde seinerseits gut daran tun, seine körperliche Außenwirkung bei der Arbeit dahingehend zu optimieren, dass nicht ständig der Eindruck des dem Orchester Hinterherdirigierens entstehen kann. Doch da sind so einige Ungenauigkeiten schon längst wieder vergessen. Und der Glaube an die total verdichtete Probenarbeit des Jungdirigenten – wie dem Saal glaubhaft von der Projektgruppe versichert wird – verbreitet sich.

Dieser Ansatz sollte weiter gedacht, tiefer durchdacht und immer wieder neu gedacht, reichlich Fortsetzung finden. Und dann auch die wahrhaftigen Clubber mehrheitlich einbinden, musikalisch und rein menschlich. Da gilt es aufzubauen auf dem bisher Geleisteten. Oder, wie Mark Mast, Intendant der letztlich veranstaltenden Bayerischen Philharmonie mit ihrer äußerst vielfältig strukturiert-und-aufgestellten Nachwuchskreativität formuliert: „Die Kunst der Verwandlung: Hier spielt die Musik – im Club als Ort der Begegnung mit klassischer Musik“. Club vielleicht gedacht im Sinn des guten und aufgeklärten und kreativen europäischen Salons.

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