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Abschlusskonzert des Operettenworkshops 2024. Foto: © Ida Zenna

Abschlusskonzert des Operettenworkshops 2024. Foto: © Ida Zenna

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Beim 20. Leipziger Operettenworkshop übten nicht nur die Stipendiat:innen

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Die Vorteile des inzwischen 20. Operettenworkshops der Musikalischen Komödie Leipzig in Kooperation mit dem Forum Dirigieren des Deutschen Musikrats liegen auf der Hand. Begabte Teilnehmer erarbeiten mit dem Spezialisten-Team eines der wenigen Repertoiretheater für Operette und Musical das, was ihnen im ersten Theaterengagement höchstwahrscheinlich als erstes begegnen wird: Operette. Diesmal lief der Workshop etwas anders als bisher. Denn beim stilistischen Warm-Up zur „Fledermaus“-Premiere im Februar übte auch das Orchester. 

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Bis 2022 hatte der damalige Chefdirigent Stefan Klingele statt der Highlight-Konzerte seines Vorgängers Roland Seiffarth komplette Stück-Entdeckungen mit verbindenden Zwischentexten eingeführt. Mit gutem Grund: So lernen Dirigier-Novizinnen in der Musikalischen Komödie Leipzig viel über das Timing und theatrale Proportionen der sog. „leichten Muse“, die es in der durchkomponierten Oper und dem symphonischen Standardrepertoire sonst nicht gibt. Unter Klingeles eigener Leitung wurden dann „Rosen aus Florida“ und „Das Lied der Liebe“ auf Tonträgern eingespielt. 2023 gab es es noch als komplettes Stück Leo Falls „Jettchen Gebert“. 

Feine Sache. Die drei Stipendiat:innen vom Forum Dirigieren - Seonggeun Kim, Subin Kim, Pedro Mauricio Sotelo-Romeroforum – treten in den Neujahrskonzerten am 6. und 7. Januar auf und probten dafür eine knappe Woche. Dieses Jahr sogar mit Theorie-Bonus. Sie besuchten die vom Verein der Freunde und Förderer durchgeführte Ausstellung zur „Geschichte des Leipziger Operettenensembles“ im Stadtarchiv. Mit dem gesamten Personal der MuKo erhielten sie am Nachmittag vor der Generalprobe eine Einführung auf Expertenniveau durch Stefan Frey (Operetten-Boulevard des Bayerischen Rundfunks). 

Das 150-Jahre-Jubiläum von Johann Strauß' „Die Fledermaus“ (MuKo-Premiere am 11. Februar unter Operettenworkshop-Leiter Tobias Engeli) wirft seine Schatten voraus. Also ging es diesmal zurück zur Operetten-Ära vor 1900, welche vor dem Wissenschaftsboom auf die Gattung gerne die „Goldene“ genannt wurde. Eingesetzt In das Potpourri aus Hits, bei denen Richard Genée neben seinen Texten auch beträchtliches kompositorisches Wissen für die großen Wiener Erfolgsstücke von Strauß, Millöcker und Suppé einbrachte, gab es dessen halbstündigen Dreipersonen-Einakter „Der Musikfeind“ (Schwerin 1862). 

Was die drei Stipendiat:innen an Impulsen und Lerngier mitbringen, bekommt man vor der Generalprobe weitaus besser mit als bei den Konzerten. Man merkt auch die feineren Stufen der Dialogfähigkeit zwischen den Instrumentalexperten im Orchester und den Visionären am Dirigierpult. Diese lernen hier auch sehr viel über Probenökonomie bei Zeit- und Lückenmanagement. 

Die Programmplanung übernimmt die Musikalische Komödie, nicht der Deutsche Musikrat. Auffallend ist an der Stückentscheidung 2024, dass im „Musikfeind“-Uraufführungsjahr 1862 noch kein stilistischer Keil zwischen Dialogoper und „komischer Operette“ bestand wie später. Demzufolge hätte es ein Lortzing- oder Flotow-Einakter ebenso als Operetten-Exerzierplatz getan. Für ganz wichtige Gattungsmerkmale wie das nicht prägnante Musizieren unter gesprochenem Text, gab es in „Der Musikfeind“, einem bierdermeiernden Dutzend-Stück, kein dirigentisches Übungsmaterial. Neuland für das Orchester der Musikalischen Komödie bedeutete Genées Solonummer „Der Musikenthusiast“. In der von Tenor Andreas Rainer gesungenen „komischen Szene“ verarbeitete Genée Filetspitzen aus dem Opernrepertoire von „Zauberflöte“ bis „Margarete“ zum pikantem Haschee. 

Nora Lentner, Milko Milev, Mirjam Neururer und Adam Sanchez kennen natürlich die Paradenummern aus „Bettelstudent“, „Nacht in Venedig“ und „Boccaccio“, obwohl alte Wiener Operetten in der Leipziger Hochburg seit Jahren kaum präsent waren. Mit akribischer Eindrücklichkeit schmiedete Subin Kim am Gesamtklang, den sie dadurch etwas schwer werden ließ. Seonggeun Kim nahm sich Zeit für Tüfteleien an der Balance und einer den Gesang begünstigenden Dynamik. Schließlich zeigte der bereits das Collegium musicum Weimar leitende Pedro Mauricio Sotelo-Romero, wie aus gezielt wischenden Bewegungen und intelligenter Leichtigkeit echter Operettengeist aufblüht. Sotelo-Romero schaute nur selten zu den Sänger:innen und spürte trotzdem genau, was für deren optimale Leistung an orchestraler Unterfütterung wichtig ist. 

Workshop-Leiter Tobias Engeli unterstützte mit allgemeinen Ansagen wie „Weniger laut“ und „Weniger Fülle“. Das war nötig. Zwischen der letzten Einstudierung einer spezifischen Wiener Operette des mittleren 19. Jahrhunderts und der „Fledermaus“ ab Februar 2024 liegen an der MuKo nicht nur die Wiedereröffnung des akustisch verbesserten Hauses Dreilinden und die Pandemie. Die langjährige Abkehr von der „goldenen“ Operetten-Ära hört man. Breit flutende Streicher mit gepfefferten Bläsersätzen für Kálmán, Bläserfarben wie für den Broadway waren in den letzten Spielzeiten der Schwerpunkt. 

Das Publikum durfte am 6. Januar 2024 seine/n Favorit:in mit einem von der regionalen Leipziger Volkszeitung ausgerichteten Publikumspreis würdigen. Den Stipendiat:innen kommt in diesem Neujahrs-, Auftakt- und Abschlusskonzert – ohne dass ihnen das selbst bewusst war – eine wichtige Aufgabe zu. Das Genée-Programm war eine wichtige Stil- und Gewöhnungsetüde für das „Fledermaus“-Orchester. Geübt haben nicht nur die Stipendiat:innen, sondern alle. Wie das klingen kann, zeigte Schlag 12.00 der neue Ensemble-Zugang Friederike Meinke mit einem brillantem „Frühlingsstimmen“-Koloraturfeuerwerk. Aber diese exzellente Leistung hat mit dem Anlass Operettenworkshop eigentlich wenig zu tun. 

Die Stipendiatet*innen:

  • Seonggeun Kim: Geboren in Südkorea, aufgewachsen in Südafrika. Mit 12 Jahren erster Flötenunterricht. 2018 Bachelorstudium Orchesterdirigieren an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Frühjahr 2022 Abschluss mit Auszeichnung. Aktuell Master an derselben Hochschule. 
  • Subin Kim: Geboren in Südkorea. Klavier- und Geigenunterricht. Mit 19 professionelle Musikausbildung in Musiktheorie. 2012 Chorleitungsstudium sowie ein Studium der Komposition an der Korea University of the Arts. 2017 Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Seit 2021 Masterstudiengang Dirigieren an der HfMT. 2023/24 Assistant Conductor beim Aarhus Symfoniorkester. 
  • Pedro Mauricio Sotelo-Romero: Seit 2019 Studium Orchesterdirigierenan der HfM Franz Liszt in Weimar. Seit April 2023 neuer Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Collegium Musicum Weimar sowie Stipendiat des Forum Dirigieren des Deutschen Musikrates.

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