Auf den a-sozialen Kanälen sind sie reihenweise abrufbar. Sie sind zu GEMA-pflichtigen Hits aufgeblüht. Ihre teilweise musikalisch gebildeten Schöpfer sind Stars jener „Szene“, die von Freitag bis Montag glüht und blüht – auf dieser anderen Insel der Republik … nun ohne Thomas Bernhards berühmte Drohung „Morgen Augsburg“.

Natalya Boeva, Claudio Zazzaro, Elke Kottmair. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Das Ballermann-Singspiel „Exportschlager“ in Augsburgs Brechtbühne uraufgeführt
Im Dezember 2021 machte sich Simon Mack (*1992), der heutige Professor für Musiktheorie und Gehörbildung, den Spaß, seinen „Ballermannhit „Saufen“ als Bach-Kantate um-zu-komponieren, online zu stellen – und so wurde „Saufen, morgens, mittags, abends“ zum viralen Hit. Vieles folgte und dann wuchs zusammen mit Autor Andreas Hilger die Idee, daraus ein „deutsches Singspiel“ für kleine Bühnen zu machen.
Mit entsprechend kleinem Etat hat nun Regisseurin Elsa Vortisch zusammen mit Veronika Bleffert (Bühne) und Katja Schröpfer (Kostüme) ins beton-kahle Ambiente der Brechtbühne anderthalb Stunden amüsant-pfiffige Unterhaltung gezaubert. Im vorderen Teil der Spielfläche stehen ein Konzertflügel und ein paar Stühle: eine Probebühne irgendwo, hinten ein bühnenbreiter Vorhang hin zum Umkleiden und einem mal grün, mal rot aufleuchtenden „WC“, nur per Geräusch ahnbar. Hierher hat Professorin Elira alias „Ebbe-Sand“ die „Fee-Taste“ Frau Fluth als Korrepetitorin gebeten, dazu vier Opernsänger zu einer „Konzeptionsbesprechung“: um endlich „E“ und „U“ zusammenzubringen, sollen diese Insel-Hits von dortigen „Größen“ wie „Ingo ohne Flamingo“, „Mütze-Katze“, „Alex C. Feat Y-Ass“, „Möhre“ oder „Mickie Krause“ mit klassischer Musik von Schubert bis Mahler aufgepeppt und professionell gesungen werden – dann könnte die Anerkennung als „immaterielles Kulturgut“ auf der UNESCO-Liste folgen, dazu Tournee-Einladungen, Karriere-Boost und GEMA-Grüße. Sänger-Eitelkeiten, Rivalität zwischen Sopran und Mezzo, kommerzielle Zweckentfremdung klassischer Musik, Textänderungen, die das Ganze weiter pervertieren – eben Kultur-Crossover von Wagners Venusberg über Schönberg zu Alban und eben Andrea Berg, ein „Piccolo Puccini“ hin zu „Nessun Döner“ – all das hat das Bühnenteam mit leichter Hand, temposchnell und daher höchst unterhaltsam inszeniert.
Als dann gar eine kleine, grässlich banale Strandbar hereingeschoben wird, alle mit Schwimmtieren aus echter-China-Plastik herumspielen und sich grandios grotesk zum Finale vorm „Applauso-Meter“ verkleiden – da wird der Kontrast zu Texten vom „schönsten Arsch der Welt“, „…alle gestört, aber geil“, „20 Zentimeter“ über männliche und „Superhupen“ über weibliche Körpermerkmale bis hin zu „Zehn nackte Friseusen … mit nassen… HAAREN“ immer deutlicher.

Wiard Witholt, Luise von Garnier, Natalya Boeva, Claudio Zazzaro. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Der abgestandene Sangria-Eimer kann als Aufhänger dienen: da wird zwar mal der Abstand zu dem Neo-Nazi-Exzess auf Sylt benannt, da wird auf den 49-Euro-Flugwahnsinn „Mallorca-Freitag bis Montag“ angespielt – aber dem ganzen Text von Andreas Hilger (und Mack?) fehlen Biss, Entlarvung und Abgründiges – da hätten Federn aus den Autorenteams hinter „Anstalt“, „heute-show“ oder „extra3“ schreiben müssen. Da kann eben nun über Proll-Sexismus gelacht werden. Und ebenso grundlegend muss sich Simon Mack fragen: ja, die von Annalena Hösel bewundernswert stilistisch und rhythmisch vielfältig gespielten Klavierarrangements der Ballermann-Hits besaßen für sich Niveau. Das steigerten dann noch die gesanglichen Leistungen von Elke Kottmair, Luise von Garnier, Natalya Boeva mit aller Mezzo- und Sopran-Verve, dazu Wiard Witholt mit Bariton-Fülle, während das Sieges-Rot des Applausometers an Claudio Zazzaro ging, dessen Tenor-Schmelz alles bis zu „Nessun Döner“ auf Klassik-Niveau hob.
Nur: Was adelt Mack da mit seinen „Arie Ballermaniae“? MeToo-Skandale haben ja sogar seine Münchner Hochschule für Musik und Theater erreicht und was Youngster da auf dieser Insel aufführen und grölen, gehört auf keine Bühne. Mack selber betont, dass er noch nie „dort“ war – vielleicht wär‘s dann nicht zu diesen Banal-Witzen zumeist auf Kosten von Frauen gekommen …
Haben oder Sein - halbert philosophisch: „Du hast den …“ oder „Du bist der größte Arsch der Welt“.
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