Oft wird den Menschen erst in der Ferne klar, was Heimat bedeutet. Der dänisch-vietnamesische Bassist Chris Minh Doky hat gut zwei Jahrzehnte seines Lebens in den USA verbracht. Dort wurde der in Kopenhagen geborene Musiker immer wieder mit der Frage konfrontiert, was es bedeute, aus dem Norden Europas zu stammen.
So richtig klar war ihm das bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht – also horchte er tief in sich hinein, versuchte die eigene Mentalität zu ergründen und buddelte mächtig, um die Wurzeln freizulegen, die seinem musikalischen Tun Halt geben. Das Ergebnis präsentierte der jungenhaft aussehende bald 48jährige zum Auftakt des 9. „BMW Welt Jazz Awards“, der diesmal unter dem Motto „Bass Erstaunt“ steht.
Chris Minh Doky brachte sein „New Nordic Trio“ zum Matineekonzert mit in den wie immer prächtig gefüllten Doppelkegel der BMW Welt – schnell wurde klar, dass das Nordische, das im Staate Dänemark gepflegt wird, kaum etwas mit dem der skandinavischen Nachbarländer gemein hat. Während es in Schweden und vor allem in Norwegen diesen Hang zum atmosphärischen taktstrichlosen Schwebemodus gibt, mag man in Hamlets Heimat offensichtlich Volkslieder mit einfachen Melodien und klaren Strukturen. Solche hat Chris Minh Dokys Mutter ihrem Sprössling immer wieder vorgesungen – er hat diese Weisen so verinnerlicht, dass seine Musik auch heute noch davon geprägt ist.
Die Themen seiner meist recht lyrisch getönten Stücke sind pfiffig-schlicht, gut memorierbar, erfrischend unverstellt. Er trägt sie mit rundem Ton und deutlich in den Vordergrund gemischtem Bass vor – selten gibt es ein klassisches Piano Trio zu hören, bei dem die tiefen Töne so dominant sind. Nur im einzigen „echten“ Jazz-Stück des Morgens, Thelonious Monks „Green Chimneys“, stört die unkonventionelle Gewichtung der Instrumente. Sonst aber ergibt das Lautstärkeverhältnis Sinn – denn der Chef des „New Nordic Trio“ ist der Melodiengeber, der sich übrigens selbst in den hohen Lagen frappierend intonationssicher zeigt. Wer genau hinhört merkt, dass Chris Minh Doky am Bass eigentlich singt – nicht nur seine Themen, auch seine Soli phrasiert er so, als würde er die Stimme erheben. Selbst wenn die Finger mal zum wohldosierten hochvirtuosen Zwischenspurt ansetzen, bleibt das Sangliche irgendwie erhalten.
Ob die bemerkenswerte Leistung, die Chris Minh Doky mit Pianist Poul Reimann und Schlagzeuger Jonas Johansen zeigte reicht um ins Finale des Wettbewerbs am 6. Mai zu gelangen, wird abzuwarten sein. Denn die drei Dänen haben starke Konkurrenz. Ihnen folgen das Duo Lars Daniellson/Grégory Privat (5.2.), dann Henning Sieverts’ „Symmethree“ (12.2.), Renaud Garcia-Fons’ „Revoir Paris“ (19.2.), Linda Ohs „Sun Pictures“ (5.3.) und Eva Kruses „On The Mo“ (12.3.).