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„Die Dollarprinzessin“ in Leipzig: Nora Lentner mit Andreas Rainer (li) und Radoslaw Rydlewki. Foto: Tom Schulze
„Die Dollarprinzessin“ in Leipzig: Nora Lentner mit Andreas Rainer (li) und Radoslaw Rydlewki. Foto: Tom Schulze
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Devotes Tenor-Duo: Leo Falls „Die Dollarprinzessin“ an der Musikalischen Komödie Leipzig

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Leipzigs neuer Musiktheater-Intendant Tobias Wolff holt nach dem Lortzing-Zyklus seiner Vorgänger in der MuKo dessen „Undine“ ab 29. Oktober ins Opernhaus am Augustusplatz. MuKo-Direktor Torsten Rose setzt im sanierten Haus Dreilinden die Reihe selten gespielter Operetten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fort.

Leo Falls 1907 im Theater an der Wien uraufgeführte „Dollarprinzessin“ bestätigt, dass der Komponist einer der feinsinnigsten und verspieltesten der sog. Silbernen Operettenära war. Das Ensemble, Chor und Ballett der Musikalischen Komödie glänzen in einem von Matthias Reichwald bizarr zugespitzten Blitzkrieg messerscharfer Erbinnen gegen ihre noblen Bräutigame aus Good Old Europe. Stars unter dem pointierten wie gescheiten Dirigat von Friedrich Praetorius sind die Tenöre Adam Sanchez und Jeffery Krueger sowie Nora Lentner.

In fast jedem Takt von „Die Dollarprinzessin“ hört man, dass Leo Fall mit seinen Textautoren Alfred Maria Willner und Fritz Grünbaum in der zwei Jahre früher uraufgeführten „Lustigen Witwe“ ein Initiationserlebnis hatte. Die Auseinandersetzung zwischen reicher Frau und verarmtem Mann gewinnt in der zugespitzten Polarisierung von europäischem Abwrack-Adel und transatlantischen Aufsteigern an Deutlichkeit und Situationswitz. Gleichzeitig verdichtete Leo Fall die wirkungsvollen Anzüglichkeiten Lehárs durch camouflierte Volksliedtöne, die statt in Verzweiflung wie bei Gustav Mahler direkt ins Schlafzimmer und kleine Pavillons locken. Einen Clash of Cultures mit Kampfaufstellungen von Csárdás contra Jazz wie in Kálmáns „Herzogin von Chicago“, die neben dem Adelsbesitz auch beim adeligen Mann kraftvoll zugreift, gibt es hier noch nicht. Viele von Leo Falls Ensemble-Nummern haben noch die Galopp-, Walzer- und Polka-Seligkeiten der Generation von Strauß Sohn, Millöcker und Ziehrer.

Der Vergröberungsprozess zu den eher schlichten Formen der Schlageroperette ist noch in weiter Ferne. Verglichen mit der alten WDR-Aufnahme unter Franz Marszalek zeigt der einige Vorstellungen vom kommissarischen Musikdirektor Tobias Engeli übernehmende Friedrich Praetorius weitaus mehr Esprit, Akkuratesse und Leichtigkeit. Praetorius, der zu Beginn dieser Spielzeit unmittelbar vom Studium auf die zweite Kapellmeister-Position des Deutschen Nationaltheaters verpflichtet worden war, machte bereits Anfang 2022 beim Dirigentenforum Operette einen guten Eindruck. Im Laufe der ersten Reprise am Sonntagnachmittag fand er von anfänglich distinguierter Filigranität zu einer kräftigeren und dabei feinnervig bleibenden Wiedergabe. Das Besondere von Falls Tonsprache wird deutlich, die Schnittstellen von Dialog und Musiknummern sitzen punktgenau. So blieb die mit dreieinviertel Stunden für eine Operette besonders lange Aufführung kurzweilig. Mit ihren Feinheiten traf die Musik den Nerv des Publikums. Die Szene lieferte dazu eine Versuchsaufstellung der besonderen Art. Diese gelang mit Spiellust und überlegten Aktualisierungen, die dem Plot keine Gewalt antaten, sondern strukturierten.

Dem Regisseur Matthias Reichwald baute Jelena Nagorni einen kargen Raum in blässlichem Grau und blau. Wichtigste Dekorationen sind weiße Würfel als Sitzmöbel und Siegerpodeste im Geschlechterkampf. Dafür glitzern Tanja Liebermanns Kostüme von den Servierschürzen über tief geschnittene Paillettenkleider und bewegte Tableaus in der Antike und bei den Azteken. Frau tragen Geparden-Outfit als Mantel uns als Revue-Bikini, Herren meistens schwarze oder helle Gesellschaftskleidung. Reichwald verliert das vormoderne Genre der Frackoperette nie ganz aus den Augen, setzt aber vor allem bei den drei Blondinen-Hauptpartien ordentlich das emanzipierende Skalpell an.

Die drei singen alle lyrisch, zupackend und charakterstark: Nora Lentner ist das sich als russische Gräfin ausgebende Tanz-Starlet Olga Labinska. Nicole Lubinger und Olivia Delauré sind die scharfzüngigen wie autoritativen Millionärinnen Alice Couder und Daisy Gray. Beide sind unberührbare Ikonen der Bankkonten, Renditeobjekte und Investitionen, tragen steinhartes Makeup. Papa John Couder (reich und sympathisch: Milko Milev) angelt sich die Tänzerin. Die Frauen-Yankees schrecken vor nichts zurück und halten sich echten europäischen Adel als Dienstpersonal. Es sind die einzigen Längen der Aufführung, wenn Stefan Ebeling und Armin Zarbock, die man getrost Publikumslieblinge für’s Besondere nennen darf, zu leisen Jazzklängen umräumen dürfen. Sie haben szenische Gegengewichte in Andreas Rainer und Radoslaw Rylewski als Tom und Dick, die Olgas Entourage bilden.

Es ist toll, wie Reinwald die ständigen Andeutungen von bizarren Vereinbarungen herauskitzelt. Emanzipation durch Zaster: Geld macht hier nicht sinnlich wie in Brechts uns Weills „Mahagonny“, sondern starr. Weil die Jung-Millionärinnen sich alles kaufen können, ist für sie das Höchste ein Vertrag, bei dem sie leer ausgehen. Also fordern sie von ihren Bräutigamen, dass es keinen Körperkontakt geben darf. Eine enthaltsame Ehe ist die Voraussetzung für ihr Ja-Wort. Natürlich sind es die europäischen Männer, die auf ein Ende der lustfeindlichen Postulate ihrer Dollar- und Herzensprinzessinnen sinnen. Da haben Adam Sanchez als Fredy Wehrburg und Jeffery Krueger als Hans Freiherr von Schlick jede Menge Möglichkeiten, ihr Betörerpotenzial auszufahren, bis sie zum Finale in der Ölraffinerie mit sich körperlich mächtig ins Zeig legenden Arbeiterinnen zum letzten Mal auf Frauengranit beißen. Die Musik dazu erklingt mit Intelligenz und schön präsentierten Operettigkeiten, aber vormodernes Rasterdenken hat sich erledigt.

Es erstaunt, wie innig Nicole Lubinger und Olivia Delauré singen können, wenn sie ihre fast infamen Männerpräventionen zur Straffunktion ausbauen. Chor (Leitung: Mathias Drechsler) und Ballett (Choreographie: Claudio Valentin) erbringen dazu wirkungsvolle Kunstleistungen, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Dabei hat die Aufführung mehr strukturierendes Gewicht als emotionale Fönböen. Die Leipziger „Dollarprinzessin“ gefällt auch, weil die veränderten inhaltlichen Perspektiven ohne Verzicht auf vertraute Sehgewohnheiten erfolgten.

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