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Die Englische Katze 2025. Foto: © Geoffroy Schied

Die Englische Katze 2025. Foto: © Geoffroy Schied

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Die ganz anderen Cats – Das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper präsentiert Henzes „Englische Katze“ im Cuvilliéstheater

Vorspann / Teaser

Hans Werner Henzes Beziehungen zu München waren tatsächlich so umfangreich und vielfältig, dass ihnen zu Recht ein Programmheft-Beitrag gewidmet ist. In der hiesigen Aufführungsgeschichte fehlen zwar die wirklich herausfordernden politischen Werke, dafür kommt nun seine „Englische Katze“ zur zweiten Einstudierung – mit 18 Katzenrollen ein echtes „Revier“ für das Opernstudio.

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„Von Gestern für Heute“ sollte doch gelten, wenn ein 1983 uraufgeführtes Werk gewählt wird. Henze und Librettist Edward Bond wollten je etwas ganz Anderes als die seit 1981 in London und seit 1982 in New York überaus erfolgreichen „Cats“ der überragenden Bühnen-Profis Webber-Nunn. Doch gerade diesbezüglich stellten sich jetzt in München zwei Enttäuschungen ein. 

Bond war ja bekannt dafür, gesellschaftliche Macht- und Gewaltstrukturen theatralisch zu entlarven. Genau die stecken auch im niedlichen Katzen-Milieu. Doch die deutsche Übersetzung von Ken Bartlett kommt all zu brav und „normal“ daher. Für die verlogene Abgründigkeit der im Zentrum stehenden, sich äußerlich arriviert gebenden Londoner Katzengesellschaft, die sich vegetarisch(!) als „Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten“ inszeniert, aber auch hinterhältig, geldgierig und schließlich mörderisch zeigt – dafür muss es in den über zwei Stunden Spieldauer mehr geben als die Sätze „Der Menschheit Schicksal ist der Mensch“, „Wer Rechtes will, darf dabei auch ein wenig Unrecht tun“ und über einen vermeintlichen Hochstapler: „Er ist reich genug, um zehnmal zu beweisen, dass er keiner ist!“ Bonds Text sollte also – ähnlich wie beim von ihm geliebten Shakespeare – neu übersetzt werden: sprachlich deftiger und bissiger, deutlich gesellschaftskritischer; in unserer Sprache ist so viel Ungeheuerliches sagbar geworden – das sollten Fabel und Parabel kritisch vorführen. 

Jetzt verlief der Abend zwischen netter Unterhaltung und eher amüsantem Lug, Betrug mit ein bisschen Mord. Dazu trug bei, dass Regisseurin Christiane Lutz alle Tierfabel-Figuren ohne Barthaare, Fury-Mode und Krallen ganz bürgerlich „à la 1970“ zeigte (Kostüme Dorothee Joisten). Ein paar Tierpfoten-Bewegungen waren zu wenig.

Die zweite Enttäuschung war das Dirigat von Katharina Wincor. Zugestanden, dass sie sich als Gast an der Staatsoper beweisen will, dass sie mit dem heiklen Raum des Rokoko-Juwels „Cuvilliés“ nicht vertraut ist: Hat ihr kein Assistent bei den Bühnenendproben gesagt „Alles viel zu laut!“ und „Du deckst immer wieder die doch sehr guten Stimmen zu!“? Schade – ausdrücklich ausgenommen das Liebesduett zwischen Minette und Tom und einige wenige Stellen mit Piano. Doch die raffinierte Klangmixtur Henzes mitsamt Euphonium und vielfältigstem Schlagwerk „gab nur was auf die Ohren“ … und da der Gesangstext folglich zu oft unterging, war man dankbar für die Übertitel.

 

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Die Englische Katze: S. Lee. Foto: © Geoffroy Schied

Die Englische Katze: S. Lee. Foto: © Geoffroy Schied

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Gelungen an dieser Produktion aber ist Christian Andre Tabakoffs Bühnenbild. Mit hereinfahrenden Räumen wie Schlafzimmer oder Notarsbüro und aus dem Rückraum kommenden Dachschrägen für nächtliche Katzen-Begegnungen bis hin zum Liebesduett schuf er eine beeindruckende Spiellandschaft. Darin bewies Regisseurin Lutz aktionsreiche und differenzierte Personenführung.

Das ist auch als Lob für alle 14 Solisten gemeint: Da war ein bisschen Gesellschaftskarikatur sichtbar – aber so richtig böse entlarvend wurde es nicht. Es überwog die Freude an durchweg guten bis sehr guten Stimmen – auch wenn hier nur das Pauschallob möglich ist. Gänzlich unangemessen wäre es aber, nicht doch herauszugreifen, dass mit der kleinen, zarten Seonwoo Lee eine Idealbesetzung für die ausgenutzte und schließlich ertränkte Minette zu erleben war, deren Sopransüße auch ihre Liebe zum Landstreicher-Kater Tom blühen und strahlen ließ. Also muss auch Armand Rabot erwähnt werden, der als männlicher Kerl mit fast Schrank-Format diesen Tom glaubhaft machte und mit Bariton-Wärme beeindruckte. Ähnlich Gutes wäre von den zwölf anderen Solisten zu sagen. Doch ihre Leistung wirkte nicht so recht: zu viel Orchester-Wums, zu wenig Text-Biss, zu wenig „unbequem entlarvende Parabel vom tierischen Menschen-Gestern ins enthumanisierte Heute“.

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