Klassiker als Graphic Novel – dieses im Bereich der Literatur oft erstaunlich gut funktionierende Konzept kam einem bei der Regensburger Neuproduktion von Wagners „Tristan und Isolde“ in den Sinn. Das schon vorliegende Bühnenbild von Kristopher Kempf – der rostige Maschinenraum eines Schiffes – inspirierte den kurzfristig eingesprungenen Regisseur Dennis Krauß im ersten Aufzug zu einer nicht gerade tiefschürfenden, aber konturgenau gezeichneten Darstellung des Geschehens.
Ein Gästepaar als Glücksgriff: Wagners „Tristan und Isolde“ am Theater Regensburg
Es ist eine brutale Zwangssituation, in die Isolde hineingeworfen wird und die sich durch den Liebestrank noch verschärft – zum äußeren Zwang kommt der innere hinzu. Wie in der Graphic Novel nicht unüblich, schreckt Krauß auch vor ein wenig Kitsch nicht zurück: Die weiße Taube, die vor den Aufzügen I und II schemenhaft über den schwarzen Vorhang flattert, wird in der Liebesnacht von Tristan und Isolde mit ineinander verschlungenen Händen als Symbol geformt. Vor dem dritten Akt sind von ihr nur noch gerupfte Federn übrig, die dann am Ende auch dekorativ vom Schnürboden herabregnen…
Leider ändert sich die bühnentechnisch effizient mit einer höhenverstellbaren Kommandobrücke ausgestattete Szenerie nach dem ersten Aufzug bis auf eine zunächst nur teilweise, dann vollständige Öffnung der Bullaugen-Rückwand und einige flackernde Neonröhren (Marthalers Bayreuther „Tristan“ lässt grüßen) nicht mehr. Auch szenisch passiert nicht mehr allzu viel, außer dass mit Maschinengewehren ein Kriegsszenario angedeutet wird.
So konzentriert sich die Aufmerksamkeit durchaus werkgerecht auf die entscheidende musikalische Ebene. Mit den beiden Gästen für die Hauptrollen hat das Theater Regensburg einen Glücksgriff getan: Corby Welch ist ein markant charakterisierender Tristan, dessen Stimme in liedhaft präzise artikulierten Passagen genauso trägt wie in den dramatisch-heldischen Ausbrüchen. Was er im mörderischen dritten Aufzug noch an vokalen Reserven zur Verfügung hatte, war mitreißend.
Kirstin Sharpin als Isolde brauchte jeweils ein wenig, um in den Raum hineinzuspüren und darauf zu reagieren, dass auch sie eigentlich keinen Dauerdruck benötigt, um ihn zu füllen. So entstand mehr und mehr eine beeindruckende Spannweite zwischen lyrisch-inniger Zurücknahme und einer metallenen Strahlkraft, die dem selbstbewussten Rollenporträt gut zu Gesicht stand. Vokaler Höhepunkt war die ruhige, aber mit innerer Spannung aufgeladene Hingabe, mit der beide das „O sink hernieder“ gestalteten.
Der fabelhafte Seymur Karimov war als Kurwenal jederzeit auf Augenhöhe mit den Protagonisten; Svitlana Slyvia erarbeitete sich im zweiten Aufzug die für die Brangäne-Warnungen nötige Ruhe; der als Marke zunächst etwas unsichere Roger Krebs – bei seinem Klagegesang kam wenig Unterstützung aus dem Graben – meisterte seine finale Szene gut.
Das Philharmonische Orchester zeigte sich unter GMD Stefan Veselka technisch, klanglich und von der dramatischen Intensität her auf der Höhe von Wagners anspruchsvoller Partitur. Sobald das Blech dominant wurde, war die Balance zu den anderen Instrumentengruppen und zu den Sängern allerdings mitunter gefährdet. Insgesamt ein beachtlicher Kraftakt, der vom Premierenpublikum beinahe einhellig bejubelt wurde.
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