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Internationale Komponistinnentage im Künstlerinnenhof „Die Höge“
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In der Höge, einem stattlichen denkmalgeschützten Gehöft mit modernem Anbau, 20 Kilometer südlich von Bremen gelegen, würde auf den ersten Blick niemand ein internationales Kulturzentrum vermuten. Im September stellte es sich mit den Internationalen Komponistinnentagen für Neue Musik nun erstmals einer breiteren musikalischen Öffentlichkeit vor.

In der Höge, einem stattlichen denkmalgeschützten Gehöft mit modernem Anbau, 20 Kilometer südlich von Bremen gelegen, würde auf den ersten Blick niemand ein internationales Kulturzentrum vermuten. Im September stellte es sich mit den Internationalen Komponistinnentagen für Neue Musik nun erstmals einer breiteren musikalischen Öffentlichkeit vor.Gegründet wurde die Höge 1995 von der Schweizerin Barbara Reinhart und von Barbara Baum nach dem Modell kalifornischer „artist colonies“. Mit Sachkunde und Begeisterung bauten sie hier einen Künstlerinnenhof auf, der sich bereits heute – der Ausbau dauert noch bis 2005 – als hervorragend eingerichtete Arbeitsstätte präsentiert. Es gibt Kunstateliers, Präsentationsräume, eine supermoderne digitale Videoschnittanlage, ein Tonstudio und einen kleinen Konzertsaal mit Flügel, dazu Appartements für Stipendiatinnen. Vor einem Jahr wurde das Artists-in-Residence Programm ins Leben gerufen. Es bietet professionellen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen aus allen Disziplinen die Möglichkeit zu mehrmonatigen Arbeitsaufenthalten. Dereinst sollen bis zu neun von Fachjurys ausgewählte Stipendiatinnen gleichzeitig in der Höge arbeiten können.

Die Einrichtung ist ein später und sehr praktisch ausgerichteter Reflex auf die Frauenbewegung der 70er-Jahre mit ihren Forderungen nach Chancengleichheit der Geschlechter und Förderung der weiblichen Kreativität. Die Initiatorinnen sind mit guten Gründen der Meinung, dass diese Postulate noch lange nicht eingelöst sind, und laden darum in die Höge nicht Künstler/-innen, sondern ausschließlich Künstlerinnen ein.

Bei den Internationalen Komponistinnentagen für Neue Musik wurden nun an einem Septemberwochenende Werke von sieben Komponistinnen gespielt und zur Diskussion gestellt, die alle schon Arbeitsaufenthalte in der Höge hatten oder dazu eingeladen wurden. Sie stammen aus sechs Ländern, vier von ihnen leben dauerhaft im Ausland, was die Bremer Musikwissenschaftlerin Ute Schalz-Laurenze zum Anlass nahm, in ihrem Einleitungsrefererat „... der Horizont, den wir nie erreichen...“ der Frage der künstlerischen Kreativität unter den Bedingungen der „Fremde“ nachzugehen: den Erschwernissen steht eine gleichwertige Chance zur Erschließung neuer Dimensionen gegenüber, die nur in diesem kulturellen Spannungsfeld möglich ist. Das Vortragsmotto, allerdings mehr auf die inneren Horizonte bezogen, war ein Zitat aus einem Aufsatz der in der Schweiz lebenden Polin Bettina Skrzypczak, von der das fulminante Streicherduo „Scène“ gespielt wurde. Wo und was ist das Fremde? Auch die zwischen Freiburg und ihrer Heimat Rumänien pendelnde Carmen Maria Cârneci relativierte in der Diskussion die ethnisch-geografische Definition des Fremden und meinte, sie fühle sich vor allem in der Musik zu Hause, und diese könne man überall in zivilisierten Gegenden antreffen. Sie dirigierte selbst die Uraufführung ihrer Komposition „Sprachrohr“ auf Psalmen der Hildegard von Bingen, in der die kunstvolle Melismatik des Mezzosoprans (Angelina Soller) mit präzis konturierten, klanglich delikaten Instrumentalklängen kombiniert wird.

Mit In-Sun Cho (Korea) und Noriko Nakamura (Japan) waren zwei im akademischen Lehrbetrieb ihrer Heimat gut verankerte Komponistinnen vertreten, die sich aus langjähriger Erfahrung zu Fragen des Komponistinnenberufs äußern konnten. In ihrer Musik arbeiten sie souverän mit westlichen Techniken und Instrumenten, ohne ihre eigenen Traditionen zu verleugnen. Ähnlich die junge Kasachstanerin Jamilia Jazylbekova, die seit 1995 in Bremen lebt und mit „Betpak“ („Wüste“) ein Stück vorstellte, in dem die Zeit über weite Strecken fast still zu stehen scheint und das mit minimalen Mittel eine größtmögliche Spannung erzeugt. Einen multimedialen Akzent setzte die ebenfalls in Bremen lebende Koreanerin Jin-Ah Ahn mit „Ein Himmel – eine Erde“, in der sie Videoaufnahmen mit geräuschhaften, im Klavier erzeugten Tonbandklängen verband.

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