Der Sommer war groß und voller Musik. Manche reisten zu bedeutenden Festivals, um internationale Stars zu erleben. Andere hatten beiläufig unverhoffte Musikerlebnisse im Kleinen, die indes ebenso eindrücklich sein konnten. So lenkte etwa in der Klosterkirche der oberschwäbischen Kleinstadt Bad Saulgau der katholische Priester seine Orgelimprovisation, mit der er nach anstrengendem Gottesdienst-Wochenende seinen freien Montagvormittag zu verbringen pflegt, für ein zufällig die Kirche betretendes Kind spontan in eine Stegreif-Variationenfolge über das Kinderlied „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“. Das war keine Uraufführung im engeren Sinne, welche die Musikgeschichte revolutioniert hätte, in der situativ einmaligen Zugewandtheit der Musik hier und jetzt für ein kleinstmögliches Publikum aber gleichwohl ein Ereignis.
Weithin einzigartige Konstellationen kennzeichnen auch einige Uraufführungen im September. Am 4. und 5. treffen beim Festival „Fünf plus fünf“ in der Elisabeth-Kirche in Berlin-Mitte fünf Kontrabassklarinetten mit fünf Singstimmen zusammen. Die Neuen Vocalsolisten Stuttgart bringen mit vier Kontrabassklarinetten-Kollegen des Klarinettisten und Initiators Theo Nabicht nicht weniger als zehn Werke zur Uraufführung, deren Instrumentation vom Solo über Duo, Trio und Quartett bis zur Maximalbesetzung reicht. Die Novitäten stammen von Helmut Zapf, Bernhard Gander, Sergej Newski, Manos Tsangaris, Iris ter Schiphorst, Enno Poppe, Michael Pelzel, Arthur Kampela, Rolf Riehm und Uros Rojko. Ebenso ungewöhnlich ist die Verbindung von Sinfonieorchester mit mongolischen Instrumenten, für welche die aus der Inneren Mongolei stammende Komponistin Zulan ein neues Werk geschrieben hat, das am 25. September das Bundesjugendorchester mit dem Ensemble „Mongolism“ beim Beethovenfest Bonn zur Uraufführung bringt, wo am 12. September bereits ein neues Werk von Salvatore Sciarrino erklingt.
Besonderheiten sind auch Besetzung und Ort der Uraufführung von Ivan Kyms und Wolfgang Mitterers Raumkomposition für Live-Elektronik, Schweizer Tambouren und Pfeifer, die am 10. September auf dem Basler Münsterplatz das neue Festival „Zeiträume“ eröffnet. Vier Tage lang bietet diese erste Basler „Biennale für Neue Musik und Architektur“ weitere Uraufführungen von Georg Friedrich Haas, Matthias Klenota, Beat Furrer, Beat Gysin, Thomas Kessler, Pascal Contet, Franck Bedrossian, Arturo Corrales und Edu Haubensak. Nicht alltäglich sind auch Titel und Material von Gerhard E. Winklers „Anamorph V (Wolfsschluchtmaterial mit Schmuggeltänzen)“ für E-Ensemble und Symphonieorchester, das neben Carlo Ciceris „[V IZ]“ für E-Gitarre, E-Cello, Perkussion (Objekte), Live-Elektronik und Orchester am 10. September im Eröffnungskonzert des Festivals Klangspuren erstmalig erklingt. Weitere Premieren des bis zum 27. September dauernden Festivals in Schwaz in Tirol stammen von Hannes Kerschbaumer, Ben Johnston, Salvatore Sciarrino, Klaus Lang, Edu Haubensak und Manu Delago. Im Post Tower Bonn spielt am 7. September die Bonner Pianistin Susanne Kessel das nächste Konzert ihres Uraufführungsmarathons „250 piano pieces for Beethoven“, wofür sie 250 Komponisten des In- und Auslands eingeladen hat, anlässlich des bevorstehenden 250. Geburtstags von Ludwig van Beethoven im Dezember 2020 jeweils ein neues Klavierstück zu schreiben. Die neuesten Werke stammen diesmal von Charlotte Seither, Roger Hanschel, Bernd Hänschke, York Höller und Walter Zimmermann.
Weitere Uraufführungen
03.09.: Thomas Daniel Schlee, Viertes Streichquartett, Salzkammergut-Musiktage Schloss Mondsee
10.–19.09.: Diverse neue Werke beim Ultima Oslo Contemporary Music Festival
11.09.: Dominik Susteck, Zeitfiguren für Orgel, Dom Paderborn
16.09.: Elena Mendoza, neues Ensemblewerk, Musikfest Alte Oper Frankfurt
19.09.: Georg Katzer und Michael Pelzel, neue Werke für das Ensemble ascolta, Tonhalle Zürich
20.09.: Johannes Maria Staud, neues Werk für Trio Catch, Kölner Philharmonie