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Während sich die Bücherregale durch antiquarische Neuanschaffungen wieder füllen können, werden die Notenschränke leer bleiben. Foto: Torsten Hemke
Während sich die Bücherregale durch antiquarische Neuanschaffungen wieder füllen können, werden die Notenschränke leer bleiben. Foto: Torsten Hemke
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„Es war der Schatz auf dem Dachboden“

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Die Musikaliensammlung der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar ist unwiederbringlich verloren
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Wer als musikinteressierter Zeitgenosse in die Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek kam und sich dort nicht auskannte, wurde ganz nach oben geschickt. Über dem Rokokosaal, im ausgebauten Dachspeicher, waren die rund 2.000 Notenhandschriften und -drucke gelagert, die zum größten Teil noch selbst von der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar zusammengetragen worden waren. Beim verheerenden Brand der Bibliothek am Abend des 2. September, der ausgerechnet im Dachstuhlbereich seinen Anfang nahm und dem über 50.000 Bücher zum Opfer gefallen sind, ist die Musikaliensammlung nahezu komplett verbrannt. Nur einige bescheidene Reste konnten von den Helfern geborgen und zur Rettung ins Zentrum für Bucherhaltung nach Leipzig gebracht werden.

„Canzona dell’ Signor…“, soviel kann man auf dem Deckblatt noch lesen, der Rest ist verkohlt, darunter ein Klumpen Papier, der wohl handgeschriebene Noten aus dem 16. Jahrhundert enthält und vom Löschwasser völlig klamm geworden ist. Das Autograph ist eine der ältesten Stücke aus der Notensammlung der Herzogin Anna Amalia. Chefrestauratorin Manuela Reikow-Räuchle vom Leipziger Zentrum für Bucherhaltung ist davon überzeugt, dass das kostbare Blatt mittels Gefriertrocknung wieder hergestellt werden kann – allerdings ist diese „Rettungsaktion“ nur ein winziger „Tropfen auf den heißen Stein“, wenn man den Verlust der meisten anderen Musikalien bedenkt.

„Die Musikgeschichte der Weimarer Klassik wird zukünftigen Generationen für immer verschlossen bleiben“, davon ist Detlef Altenburg von der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar überzeugt. Der Professor für Musikwissenschaft hätte im September mit einer Reihe von Mitarbeitern beginnen sollen, den Bestand der Musikaliensammlung wissenschaftlich zu erforschen und aufzuarbeiten, die Gelder für das umfangreiche Projekt, das nun nicht mehr stattfinden kann, waren bereits bewilligt. Da die meisten Noten aus den Lebensjahren der Herzogin stammten und damit auch aus der Zeit Goethes, wären bei der Aufarbeitung ganz sicher interessante neue Details zum Weimarer Hofleben zutage gekommen…

Einmal die Woche, immer am Sonnabend, veranstaltete Anna Amalia Konzerte bei Hofe. Neben Musikern wie dem späteren Hofkapellmeister Johann Nepomuk Hummel, von dem wahrscheinlich eine ganze Reihe von Original-Handschriften, die noch nicht auf Mikrofiche gebannt waren, unwiederbringlich verloren sind und niemals mehr erklingen können, war es vor allem der Komponist Ernst Wilhelm Wolf, der für solche Anlässe Musik schrieb. Wolf, der vor seiner Weimarer Zeit das Collegium musicum der Universität Jena geleitet hatte, wurde 1772 zum Hofkapellmeister ernannt. Ihm oblag es auch, die musikdramatischen Aufführungen im Schlosstheater zu leiten. Nach dem Vorbild des Gewandhausgründers Johann Adam Hiller in Leipzig schuf Ernst Wilhelm Wolf die Musik zu einer Reihe deutscher Singspiele mit Titeln wie „Das Gärtnermädchen“, „Die Dorfdeputierten“ oder „Die treuen Köhler“. Auch wenn solche Werke bis heute von einigen Fachleuten belächelt werden, stehen sie doch für den wichtigen Versuch, eine „deutsche Oper“ zu schaffen und sind damit, wenn man so will, „Urahnen“ von Webers „Freischütz“. Die Partituren der Wolf´schen Kompositionen sind sämtlich verbrannt, und es ist zu vermuten, dass etliche Werke aus seiner Hand nie wieder aufgeführt werden können. Übrigens hatte auch Anna Amalia sich als Komponistin betätigt, der Verlust ihrer Vertonung von Goethes Stück „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ muss ebenfalls beklagt werden.

Zur berühmten „Tafelrunde“ der Herzogin gehörte – das ist bis heute wenig bekannt – neben Goethe, Herder und Wieland unter anderem auch der Kammerherr und Komponist Carl Friedrich Sigismund von Seckendorff. Zu mehreren Gedichten Goethes, unter anderem zum „König in Thule“, schuf er Erstvertonungen und steht dadurch in enger Verwandtschaft mit der neuen Liederschule Zelters und Reichardts in Berlin, die der Dichterfürst nachweislich sehr geschätzt hat. Seckendorffs Lieder waren in Weimar äußerst beliebt und selbstverständlich größtenteils in der Notensammlung der Herzogin vertreten. Ihr Verlust ist nicht hoch genug einzuschätzen. Erwähnt werden muss auch noch der Bestand von rund 90 italienischen Opernpartituren, den die Herzogin zusammengetragen hatte, darunter etliche Werke von Giovanni Paisiello, die womöglich Unikate waren.

Was die Musikwelt beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek genau verloren hat, das wird erst in den kommenden Monaten langsam ans Licht kommen, war doch, wie Detlef Altenburg bemerkt, die Katalogisierung der Sammlung unvollständig, ja lückenhaft: „Es handelte sich um den sprichwörtlichen Schatz auf dem Dachboden, von dessen wahrer Bedeutung man nur Ahnungen hatte.“

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