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Chorwerk Ruhr ION 2025 (c) JM Koch

Poulencs zeitlose Modernität: „Figure humaine“ mit Chorwerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath beim Nürnberger Musikfest ION 2025. Foto: Juan Martin Koch

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Friedensrufe: Voces8 und Chorwerk Ruhr beim Nürnberger Musikfest ION

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Wo ist Frieden? Mit dieser Fragestellung erinnert das Nürnberger Musikfest ION in diesem Jahr an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Zu den Ensembles, die um passende Programme gebeten wurden, gehörten zum Auftakt des Festivals Voces8 und Chorwerk Ruhr.

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Das britische Vokalensemble Voces8 spannte dabei einen Bogen von der Renaissance (Gibbons, Tallis, Allegri) über die Romantik (Mendelssohn, Elgar, Reger) bis in die Gegenwart (Arvo Pärt, Alec Roth, Paul Smith, Caroline Shaw, Ken Burton, Karensa Briggs). Mit der ihnen eigenen, fast unwirklichen Perfektion, Homogenität und Klangschönheit zogen die drei Damen und fünf Herren das Publikum in der Sebalduskirche in ihren Bann. In Sachen Qualität der Darbietung scheint da eine Steigerung nicht mehr möglich, bei der Stückauswahl hätte man sich indes mehr Mut und bei den Moderationen mehr Zurückhaltung gewünscht.

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Voces8 Musikfest ION 2025 (c) Philip Kreibig

Fast unwirkliche Vokalqualität: Voces8 beim Nürnberger Musikfest ION 2025. Foto: Philip Kreibig

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Die Version des berühmten „Nimrod“-Satzes aus Elgars Enigma-Variationen als „Lux Aeterna“ (Bearbeiter John Cameron hat hörbar Mühe, den Text halbwegs sinnvoll unterzubringen) fährt hart am Kitsch; beim neunstimmigen „Miserere“ von Gregorio Allegri musste während des Stücks immer wieder die Position gewechselt werden, um mit nur acht Sängern den Fernchor zu realisieren. Bei aller Bewunderung für die (nicht originalen) hohen Cs wirkte das wenig stimmig. Vor allem aber enttäuschten die zeitgenössischen Werke: Pärts „Da Pacem“ und „The Deer’s Cry“ zählen nicht zu seinen stärksten Eingebungen, und die anderen neueren Stücke hüllten die eigentlich doch auch sehr schmerzhafte Frage nach Frieden in eine eher gleichförmige Fülle des Wohllauts. Einzig Karensa Briggs ließ in „Media Vita“ mit einem eigenen Tonfall aufhorchen.

Staunend saß man im Vergleich dazu im Konzert von Chorwerk Ruhr unter Florian Helgath. Staunend über die Originalität, spirituelle Kraft und zeitlose Modernität von Francis Poulencs Kantate „Figure humaine“. Welche Substanz, welche Ausdruckstiefe steckt da etwa allein in dem zweiminütigen vierten Satz („Patience“)! Der Chor meisterte die Herausforderungen dieser anspruchsvollen Partitur spielend, die Lyrik von Paul Éluard leuchtete in Poulencs Vertonung schmerzhaft schön auf, die Steigerung im abschließenden Hymnus auf die Freiheit war atemberaubend.

Zusammen mit den vorbildlich geformten und artikulierten Mendelssohn-Psalmen op. 78, der beeindruckenden Motette „Oh Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“ von Kurt Hessenberg und dem als Zugabe gesungenen „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger rundete sich diese chorische Sternstunde in St. Egidien zu einer bewegenden, nachdenklichen Reflexion über die (Un?)Möglichkeit von Frieden in schweren Zeiten.

Das Musikfest ION läuft noch bis zum Sonntag, den 6. Juli. Dann beschließt Michael Tippetts Oratorium „A Child of our Time“ das Festival. Programm und Restkarten unter www.musikfest-ion.de

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