Kann man nüchtern betrachtend über eine Sache berichten, wenn man selbst aktiv daran teilgenommen, nein: mitgewirkt hat? Ich denke, dass ich in diesem konkreten Fall nicht den sonst notwendigen sachlichen Blickwinkel von außen einnehmen kann, da ich in der Sektion Festivalmanagement mitgearbeitet habe; stattdessen kann ich ein klein wenig mehr Tiefenschärfe anbieten. Aber von vorne:
MozartLabor – das ist im Kern zunächst ein Meisterkurs, eine Akademie für eine Handvoll junger Kammermusik-Besetzungen im Rahmen des Mozartfest Würzburg, die dreieinhalb Tage lang auf ein öffentliches Abschlusskonzert hinarbeiten. Unter anderem wurden die jungen Musiker in diesem Jahr dabei unterstützt vom Artiste étoile Kit Armstrong und Aribert Reimann, dem das diesjährige Komponistenportrait gewidmet war. Das zugegebenermaßen begrenzte Liedschaffen Mozarts war aber nicht nur Ausgangspunkt für musikalisch-praktische intensive Erkundungen, sondern auch in den um die Ensembles platzierten Arbeitsgruppen, die jeweils von kundigen Dozenten, dem Musikpublizisten Harald Eggebrecht und dem Kulturberater Peter Gartiser, betreut wurden. In diesen fünf angegliederten Sektionen beschäftigten sich Kleingruppen etwa schreibend, aufzeichnend, spielerisch und organisatorisch mit Mozart, seinem (Lied-)Schaffen und allgemein mit der Verortung von klassischer Musik in unserer heutigen und zukünftigen Lebenswirklichkeit.
„Ergebnisoffen“ will das MozartLabor sein, Scheitern zulassen. Was zunächst abgedroschen klingt, nach abhaken von gar nicht so singulären Schlagwörtern im Konferenzbetrieb, wurde tatsächlich einmal eingelöst. Scheitern ist eine reale Option, eine fruchtbare noch dazu. Beispielhaft zeigte das die abschließende öffentliche Präsentation der Sektion Schreibwerkstatt: offene Einblicke in die internen Meinungsverschiedenheiten, den teils zähen Prozess des Schreibens, die Überforderung durch die gestellte Aufgabe. Und genau durch diese Ehrlichkeit wurde eine wichtige metierübergreifende Diskussion mit und im Publikum ausgelöst. Ähnlich heiß bis hitzig wurde debattiert, nachdem die Sektion Festivalmanagement ihre erarbeiteten Ideen für ein Mozartfest im Beethovenjahr 2020 präsentiert hatte; kein Arbeiten für die Ablage P, sondern großes grundsätzliches Interesse an den entwickelten Ideen und ihrer Umsetzung seitens des Mozartfest Würzburg.
Mozart und die Himmelspforte
Das MozartLabor ist eine Herzensangelegenheit des Mozartfests Würzburg. Das ist durch und durch zu spüren, in jeder Minute, die dieser kreative Thinktank bei dem fränkischen Komponistenfestival einnimmt. Das Bekenntnis zum MozartLabor beginnt schon damit, dass ihm Intendantin und Ideengeberin Evelyn Meining im Vorwort zur Gesamtbroschüre großzügig Raum gibt. Wertvoller Platz, der – mit weiteren Namen großer Klassikstars befüllt – sicherlich besser funktionieren würde als Publikumsmagnet. Und den prominent platzierten Worten folgen Taten, besser: der Einsatz und das Interesse des gesamten Teams für die Sache.
Zu den optimalen Rahmenbedingungen gehört neben dem idyllischen Exzerzitienhaus Himmelspforten, das eine hervorragende Infrastruktur für Tagungs- und Probemöglichkeiten bietet, die herzliche, fast familiäre Atmosphäre. Die Neugierde an den Prozessen und an den (möglichen) Ergebnissen spiegelt sich insbesondere in der gefühlt durchgängigen Anwesenheit und Diskussionsfreude von Meining. Deren unaufgeregte Ernsthaftigkeit spornt alle Beteiligten an zu freiwilligen Höchstleistungen. Teilweise werden Nachtschichten eingelegt, immer wird nach den letzten Diskussionsrunden und Filmvorführungen des Tages bei einem Bier oder Wein lange und heftig weiterdiskutiert. Man merkt, dass es Gesprächsbedarf gibt, auch fächerübergreifend. Junge Fes-tivalmacher debattieren mit Journalismus-Studenten über Aufmerksamkeitsspiralen, Musikwissenschaftler versuchen sich an einer Öffnung zur Musikvermittlung, es geht um Verständnis für die jeweiligen Interessens- und Ausgangslagen im Musikbetrieb – wichtig, um später nicht gegen-, sondern miteinander für die Musik Mozarts im 21. Jahrhundert zu begeistern.
Der gegenseitige Austausch wird bewusst gefördert durch die ständige Erreichbarkeit aller Dozenten und Künstler, etwa bei den gemeinsamen Mahlzeiten, aber auch sonst; angenehm ungewohnt ist die fehlende Distanz zu den sonst schwierig erreichbar wirkenden Hauptdarstellern des Klassikbetriebs – selbst Kit Armstrong, der mitten in diversen Konzertvorbereitungen steht, nimmt sich bewusst und gerne die Zeit für Fragen und Hintergrundgespräche.
Offenes Labor
Zu alledem sind auch die Würzburger Bürger eingeladen: zu offenen Proben, zu den Vorträgen, zum Dialog, der gerne angenommen wird. Das Programm ist – auch daher – üppig, zu üppig, um alles mitzubekommen, zumindest als am MozartLabor aktiv Teilnehmender – geschenkt, ein Luxusproblem. Dreieinhalb Tage lang war ein intensives produktives Knirschen zu vernehmen im MozartLabor, gut geschmiert vom festival-inhärenten Mut zur Gedankenfreiheit, vom Vertrauen in Risikobereitschaft.