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Ks. Jörg Sabrowski (Don Pasquale) | Carola Bock (Haushälterin). Foto: Olaf Struck

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Gaetano Donizettis „Don Pasquale“ mit giftgrünen Katzen an der Oper Kiel

Vorspann / Teaser

Kiel und Lübeck liegen bekanntlich beide an der Ostsee, die Landeshauptstadt an der Förde, das einstige hanseatische Oberhaupt an einer Bucht. Gute 90 km trennen sie, so dass ihre Opernhäuser zumeist autark laufen, selten im Gleichschritt. In der Vergangenheit gab es ein paarmal gemeinsame Sache, zum Beispiel bei der aufwendigen Trickfilmversion des „Barbiers von Sevilla“. Dem ballett-losen Lübeck sind zudem turnusmäßig Auftritte der Kieler Truppe wichtig. Jetzt aber haben sich beide Häuser der italienischen Stimmartistik Gaetano Donizettis zugewandt, Lübeck der „Lucia di Lammermoor“, Kiel einen Tag später (10. Mai 2025) dem buffonesken „Don Pasquale“. Es war sicher kein höherer Plan, dass beide Häuser sich gleichzeitig der Koloraturen-Artistik bedienten.

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Aber: Es ist in dieser Zeit doch nicht so einfach, dem Anspruch der Opern von Gaetano Donizetti zu genügen. Mit der „Lucia“ hatte es Lübeck zwar gerade grandios vorgemacht, während ihr 2019 an der Förde durch zu viel Ästhetik fast die Luft ausging. Auch bei dem Abkömmling der Commedia dell’arte erstarrte die Handlung immer wieder, als seien die Arien, Duette und Ensembles als Ruhepunkte gedacht. Man sang sich allenfalls zu, agierte aber nicht miteinander.

Fremdarbeit bei der Regie

Das erstaunte umso mehr, weil diese Inszenierung nicht hausgemacht war. Ehrlicherweise war bereits auf Seite 2 im Programmheft vermerkt: „Produktion im Original kreiert für die SCOTTISH OPERA“. Doch nicht nur dort war sie zu sehen, später nutzte sie das weltweit agierende Regieduo Barbe & Doucet noch in Florida und Genf. Seit 25 Jahren arbeiten sie zusammen, André Barbe als Bühnen- und Kostümbildner und Renaud Doucet als Regisseur und Choreograph. Das Kieler Theater bewunderte an ihnen ihre „Kreativität, ihren Sinn für Spektakel und ihre minutiös detaillierte Dramaturgie“. Die Reihe der Inszenierung hat sie wohl empfohlen, bei denen sie die Wirkung ihrer Gags, auch ihrer szenischen Gestaltung praktisch hatten erproben können.

Das Bühnenbild imponierte schon beim Betreten des Theaters. Den Zuschauer guckte vom Bühnenvorhang her ein, sagen wir ältlicher Herr an. Der Kieler Opern-Stammkunde erkennt in ihm den beliebten Kammersänger Jörg Sabrowski. Er sitzt auf einem plüschigen Sessel mit Kordeln unten. Das wirkt altmodisch, aber bequem. Etliche (bei über 10 sei ein „ungefähr“ erlaubt) Kätzchen, weisen ihn als einen passionierten Katzenliebhaber aus, zumal alle grün sind. Wie man später bei der Ouvertüre erfährt, wenn sich das Bild zu einem Comic aufblättert, leidet er an einer Katzenhaarallergie. Ein weiterer kleiner Gag sei bereits verraten: Noch später nutzt Norina, die im weiteren Verlauf seinen Lebensstaub so mächtig aufwirbelt, bei der ersten Zusammenkunft mit dem Don für ihr Outfit eben diese Farbe, womit sie sich als eines seiner geliebten Kätzchen anbiedert.

Grandioses Bühnenbild 

Grandios ist auch das weitere Bühnenbild. Vorne und mittig öffnet sich die mit älteren Möbeln, einem Fernseher frühester Bauart, Tresen und Schlüsselkasten gefüllte Lobby der „PENSIONE PASQUALE“. Damit wird sofort deutlich, womit der Hagestolz seinen Reichtum erworben hat, lässt auch erkennen, welche Aufgaben das Bühnenpersonal hat: das ständig rauchende Hausmädchen, der schmierige Koch, der vergreiste Portier und die touristischen Abgesandten aus vielerlei Ländern. Links führt eine Treppe auf eine Dachterrasse mit einigen Tischchen und Stühlen. Nach hinten wird der Bühnenraum durch die perspektivisch sich bedrohlich vorneigenden fünf Etagen eines Plattenbaus abgeschlossen und rechts schließen zum Trocknen aufgehängte Bettlaken den Raum ab, leicht zu bedienen für Auf- und Abgänge. Alles erinnert mit bröckelndem Beton an den Tourismus in den 60er Jahren.

Die Personen werden alle lediglich Staffage. Nur durch Dr. Malatesta, Hausarzt für den Pensionschef, durch Ernesto, den jungen Neffen, der gern erben möchte, durch seine Verlobte Norina, die sich zur Sofronia wandeln muss, und den zufällig angeschleppten Notaro gelingt es, das komödiantische Arrangement lebendig werden zu lassen. Oder auch nicht, wie bereits frühere Inszenierungen gezeigt haben. Die Typen der Commedia dell’arte sind einfach stark. Verhindern das, was Donizetti und sein Librettist Giovanni Ruffini sicher besprochen haben, als sie sich noch einig waren. Man weiß, dass vor allem der Komponist daran dachte, eher echte Charaktere zu gestalten, keine Typen. Obwohl: bis heute erkennt man beim Blick auf Mitteilungen der internationalen Klatschpresse, das die recht gut von dem Schema Old Man und Young Lady leben kann. Das Klischee ist zu stark, um eine Klamotte zu verhindern.

Schwächelnde Regie

Zu schwach ist dagegen die Regie. Sie sollte zumindest etwas davon retten, dass es echte Charaktere sind, denen das Intrigenspiel Spaß macht und sie wirklich zumindest begabt sind, schnell zu reagieren. Mit immer gleichem Gesichtsausdruck, ohne Erfahrung und wie ein zu junger Amtsarzt, steht Dr. Malatesta (Samuel Chan) da, obwohl er auf solch einen schönen sprechenden Namen hört. Noch biederer wirkt Ernesto (Francesco Lucii). Er ist seinem Namen angemessen bedachtsam, trotz Lippenbärtchen oder wegen der Brille. Ihm glaubt man die Intrige noch weniger, weil er nicht einmal auf dem Fahrrad Tempo aufnimmt. Und Norina? Auch sie darf kein bisschen chargieren, ist immer die gleiche, wandelt sich nur durch ihren Kleidertausch und den Wechsel zu der bescheidenen, vor allem sparsamen Sofrina, als die sie dem Don vorgestellt wird. Aber trotz ihres (gift)grünen Kleides sind ihre Krallen zu gepflegt. Einzig Don Pasquale glaubt man etwas von seiner Lust auf Weib, seinem verzweifelten Annäherungsversuch und seiner Sehnsucht schließlich zurück auf seinen Sessel.

Laut klang es oft aus dem Orchestergraben. Chenglin Li, dem zweiten Kapellmeister, muss man aber nachsehen, dass ihm noch nicht alles gelang. Ein voll agierendes Orchester lässt nun einmal manche Stimme, selbst ein Quintett zu schwach wirken. Zumindest haben die Akteure zum Schluss die gemeinsame moralische Linie erreicht: „Wer im Alter heiratet, muss nicht bei Verstand sein.“ Sie kam an.

Fazit

Der Applaus war zumindest von den hinteren Reihen des Parketts heftig.

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