Warum man Musicals liebt? Wohl weil es Traumwelten sind, gespickt mit Phantomen, Löwen, Lokomotiv- Rollschuhen, Katzen oder Königen. Dazu leichte Melodiekost, stets ein wenig gestelzt vorgetragen, dennoch pathetisch genug. Was passiert nun, wenn ein Musical von Tatsachen handelt, Zeitgeschehen eingeflochten wird, Protagonisten noch leben und wahre, weil nicht speziell entworfene Musik zu hören ist? Man wird aus einem Traum erwachen. So könnte das bald in Köln passieren. Das Rockmusical „We will rock you“, bestimmt von der Vision der Band Queen und über 20 Rockklassikern der Band, feiert am 12. Dezember 2004 Premiere in Deutschland. Regisseur Ben Elton hat mit den Queen- Musikern und Musical- Produzenten Brian May und Roger Taylor ein Rockspektakel auf die Beine gestellt, dass in dieser Form einzigartig ist: Rocksongs, britischer Humor, dazu eine fiktive Realitätsgeschichte (begleitet von überdimensionalen Videoleinwänden, echten und Technicolor-Bühnenbildern), die oft genug in der Gegenwart zur Wahrheit wurde. Die nmz hatte in London Gelegenheit mit Brian May über das Musical und die Deutschlandpremiere zu sprechen.
Man ist überrascht, dass der Hauptprotagonist „Galileo“ nicht versucht, Freddie Mercurys Stimme zu treffen. Ist das Absicht?
: Absolut. Niemand könnte Freddie Mercury sein. Ich weiß, dass viele Besucher mit diesem Eindruck zu kämpfen haben, aber Freddie ist ja nicht alleine die Geschichte von Queen.
: Bis jetzt hat uns noch niemand verklagt. Das liegt mitunter daran, dass wir keinen beleidigenden sondern einen hintergründigen Humor pflegen. Zudem sind uns die betroffenen Personen wichtig, denn sie sind oder waren für die Musik nicht unbedeutend. Und wir selbst kriegen ja auch genug ab. : Die Queen- Songs passen perfekt in das Musical- Ambiente, so, als würden sie nur auf eine Story warten.
: Ich bin froh, dass Sie das genau so sehen. Leicht war es nicht, wir mussten experimentieren, nehmen immer noch Veränderungen vor, ohne aber den Kern der Songs zu verändern. In jedem Land werden die Songs differenzierter klingen, weil die Hauptdarsteller ihren Stil einbringen. Da kommt meine Aufgabe als Produzent zum Tragen, das alles anzugleichen ohne die persönliche Note wegzunehmen und den Leuten genug Platz für ihre Entwicklung zu lassen. : Als Musiker kennen Sie die Arbeit im Studio, mussten aber nie mit einem Regisseur arbeiten. Funktionierte das auf Anhieb?
: Nicht wirklich. Mit dem ersten Regisseur klappte gar nichts. Erst als wir Ben Elton gewannen, sahen Roger und ich unsere Intention verstanden. Das reichte vom Ticketverkauf bis zur Umsetzung der Geschichte. Das sind andere Probleme, als die, mit denen du als Bandmitglied konfrontiert wirst. Normalerweise kommst du ins Studio und spielst deinen Song runter. Als Musical- Produzent geht das nicht. Ich habe ständig meine Notenpartituren dabei um selbst kleinste Dinge bei Bedarf zu ändern. : Im Musical werden die Vision einer freien Welt und der Kampf um diese Vision allgegenwärtig zitiert. Traf das stets auf Queen zu?
: Ja, das ist eine uralte Queen Vision, die wir da vertreten. Regisseur Ben Elton ist das zu verdanken. Es ist erstaunlich, wie gut er uns kannte und praktisch zu einem Bandmitglied wurde. Unglaublich, wie er sich instinktiv mit dieser Geschichte unserer Vision näherte. „Galileo“, die Hauptfigur stellt rein äußerlich eher James Dean dar, aber spirituell ist das Freddie Mercury pur. : Um die Vision zu vermitteln, benötigt man Texte. Sind die Songs und Dialoge in Köln Deutsch?
: Ein heikles Thema. Wir entschlossen uns in Deutschland den Dialog Deutsch zu machen, die Songs aber nicht zu übersetzen. In Spanien beziehungsweise Russland mussten wir die Songs übersetzen, weil zwar klar war, dass man die Queen- Songs kennen würde, aber nicht deren Bedeutung im Kontext mit der Handlung des Musicals. Auch wird dort weniger häufig Englisch gesprochen als in Deutschland. Ben Elton hatte die Idee speziell in Deutschland diese Zwitteraufführung in Deutsch und Englisch zu machen. Da die Story jeweils auf die aktuelle Situation des Landes bezogen ist, in dem das Musical aufgeführt wird, bin ich mit der erarbeiteten Lösung für Köln sehr zufrieden. : Konnten Sie beim Casting für Deutschland dabei sein?
: Nicht bei jedem. Zunächst trifft ein Team eine Vorauswahl. Roger und ich sehen dann die „Creme de la Creme“. In Deutschland war das Niveau der Künstler enorm hoch. Wir waren überwältigt. Es war extrem schwierig, diese talentierten Leute wieder wegzuschicken. Köln hat uns positiv zu schaffen gemacht. : Zu schaffen machte Ihnen auch der Start des Musicals in London, dennoch ist es in der dritten Spielzeit angekommen. Ist das für Sie eine neue Erfolgsstufe?
: Es ist schier großartig. Ich könnte ständig grinsen. Es war für uns vielleicht das letzte große Territorium, das es zu betreten galt. In der Tat hatten wir mit Vorurteilen zu kämpfen und weckten Ängste im Establishment der Kritiker, weil da Typen kamen, die überhaupt nicht in deren Vorstellung einer Musical-Produktion passten. Aber wir konnten sie überzeugen, weil wir uns eine gewisse Bescheidenheit bewahrt haben. Wir treten nach wie vor nicht wie die großen Zampanos auf. Das war der richtige Weg um das Musical nicht nur in London zu etablieren, sondern hoffentlich auch in Amerika, Spanien oder Deutschland.