Ganz wunderbar in unserem Land: unsere Kinder haben, nach Musischem in der Kita dann eine Wochenstunde Musik, zwei Wochenstunden Kunst und zwei Wochenstunden Sport in der Schule. Ach, das ist gar nicht so? Es fehlen – völlig überraschend – derzeit speziell für diese Fächer über zehntausend Lehrer? Deshalb versuchen landesweit existierende Musikinstitutionen immer mal einzuspringen – so jetzt die Münchner Philharmoniker: mit dem Familien-Grusical „Senta und die verfluchte Partitur“.
Empfohlen war der Besuch „ab 5 Jahren“ – und so war die Isarphilharmonie mit rund 1600 jungen Besuchern gut gefüllt. Rang und Rundhorizont hinter dem in großer Besetzung auftretenden Orchester verdeckte ein Projektionsvorhang. Das Proszenium nahm eine vom Münchner Volkstheater bestückte Spiellandschaft ein: das kisten- und kastenreiche Lager der Gespensterforscherin „Senta van Helsing“. Nach erstaunlich standesgemäßem Begrüßungsapplaus für Konzertmeister und Dirigent legten „die MüPhis“ unter Andreas Kowalewitz spätromantisch wogend und wabernd los: den durchgehenden Orchester-Sound hatte Felix Janosa komponiert, bekannt als „Hochkultur-Punk“ durch seine „Ritter Rost“-Reihe. In die Musik platzte dann Senta mit einer weiteren Kiste herein. Sie musste sich mit dem gevift mitspielenden Kowalewitz einigen und steuerte einen ersten Song über ihr Anderssein bei. Beim Öffnen der Kiste fand sie alte Noten – und mit den jetzt erwachten Geistern „Tranquilla“ und „Glissandi“, die von nun an mitspielten, in einem ersten Terzett zusammen.
Zum zentralen Problem wuchs sich dann aus, dass der bislang noch schlummernde Geister-Graf Paginowski als Komponist so erfolglos war, dass er deshalb alle Musik verstummen und verbieten lassen will. Orchesterpizzicati weckten ihn, er bestand auf ausschließlich seiner Musik – doch da setzte ihm Senta einen Kopfhörer auf und Kowalewitz servierte mit den groß aufspielenden Philharmonikern ein Klassik-Potpourri (Gesamtarrangement Matthias Bucher): von Beethovens 5. über den Walküren-Ritt zu Mozarts „Figaro“, Griegs „Peer Gynt“ zu Tschaikowskys Klavierkonzert-Thema… und dann könnten ein Häppchen Richard Strauss, der Nussknacker“-Marsch, Mahler und Mendelssohn „u.a. vorbeigeklungen“ sein. Auf Paginowskis „Stumm-Schaltung“ des Orchesters wussten Senta, Tranquilla und Glissandi eine Lösung: Kowalewitz animierte den ganzen Saal zum „Gegen-Singen“: „Gleich ist nicht das Gleiche, böser Zauber weiche aus dem Reiche der Musik“.
Das gelang grandios – sogar mit Ausweitung zum Kanon. Paginowski wurde in seine Kiste „zurückgesungen“ und alle vereinte die Erkenntnis „Töne auf den Flügeln einer Melodie - lassen Hoffnung leben - machen Mut und geben - uns die Fantasie“. Dazu flogen dann auf dem Rundhorizont per Video (Michael Fritzsche) Noten mit Flügeln in die Weite. Der allgemeine Jubel bestätigte Susanne Seimels Senta, Larissa Hartmans Tranquilla, Frederic Böhles Glissandi und Matija Meićs Paginowski sowie Regisseur Ulrich Proschka, Ausstatterin Lena Scheerer und den Autorinnen Cordula Fels und Marina Pilhofer: alles richtig gemacht! Und genau das findet angesichts katastrophaler Unterrichtsausfällen viel zu selten statt! Brauchen wir mehr „Geister“ statt Ministerialbürokratien?