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Singenden Sportskanonen: „L'Olympiade“ an der Bayerischen Theaterakademie. Foto: Lioba Schöneck
Singenden Sportskanonen: „L'Olympiade“ an der Bayerischen Theaterakademie. Foto: Lioba Schöneck
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Gesang als Leistungssport: Die Münchner Theaterakademie singt turnend von „L’Olympiade“ in der Reaktorhalle

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Die Welt des Sports hat gerade wieder die ganze Welt unterhalten – mit all ihren Aspekten von der sportiven Leistung bis zum Privatissimum der Athleten. Das hat die Absolventen des ersten Master-Studiengangs „Gesang“ an der Theaterakademie August Everding vor Monaten auf die Idee gebracht, die Parallelen vor- und aufzuführen: das jahrelange Trainieren bestimmter Muskeln aufgrund einer speziellen Begabung; das kontrollierte und konzentrierte Beherrschen bestimmter Techniken; die Ausrichtung des ganzen Lebens auf das eine Ziel – den „Sieg“; persönliche Opfer, das Zweifeln, die Niederlage, die Verzweiflung und das Hochgefühl des Triumphes – ja, all das findet sich auch in der langjährigen Gesangsausbildung, hin auf die Abschlussprüfung, dann auf das Vorsingen, das erste Engagement und die jeweilige Premiere.

Wie in einer Video-Zuspielung von der Münchner Olympiade 1972 gilt ja im jeweiligen Genre “The games – the show must go on!“ Statt eines üblichen Abschlusskonzertes erarbeitete Regisseurin Martina Veh mit den sieben „Masters“ eine entlarvend ideenreiche „sportive Show“ voll all den Parallelen. Denn da gibt es von Altmeister Pietro Metastasio das Libretto „L’Olympiade“, das tatsächlich eine Liebes- und Verwechslungstragödie mit der antiken Olympiade verknüpft – 1733 so ein „Hit“, dass über 60 Vertonungen entstanden: ideale Vorlagen für die unterschiedlichen Stimmfächer, Charaktere und Talente der jungen Absolventen.

Das vielfältige Amüsement und der einhellige, mehrfach beeindruckte Beifall sollte das Realisierungsteam nicht darüber hinweg täuschen, dass Mankos blieben und die Äußerlichkeiten zu dominieren begannen: das einführende „Sportstudio“-Imitat, das auf die App statt auf die unbekannte Musik fokussierte, mangelhafte Programmblatt und die eher „fetzigen“ Übertitel der überwiegend unbekannten Arien waren Beispiele für eitle statt dienende Dramaturgie; die zwischen die Gesangsnummern eingefügten Videozuspielungen und sportiven Aktionen samt Texten stimmten vom Timing her mehrfach nicht und bekamen zu viel Gewicht: Phrasen der Sport-Philosophie bis hin zur wortklingelnden Phraseologie, Doping-Probleme, Motivationsdurchhänger und Beziehungskisten zwischen Trainer und Sportlerin, gruppendynamisches Werbespot-Imitat für „Power-Wasser“ – all das gipfelnd in der spektakulären “action“, dass die grazil bewegliche Koloratursopranistin Danae Kontora in die unter der Hallendecke wartenden Olympischen Ringe gehängt wurde, damit durch den Raum schwebte, die atemberaubenden Spitzentöne der Automaten-Puppe Olympia aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ stupend sang und dazu noch „Maschinenmenschen“-Bewegungen ausführte – mehr als „Engagement-Reife“! Bass Eric Ander verteilte in Vivaldis „Nell destino…“ neben kernig-schönen Mittellage-Tönen mal Aufputschpillen und mal Trainer-Umarmungen.

Sopranistin Jaewon Yun beeindruckte mit den Hass-Attacken in Leonardo Leos „Barbaro, non sperar di pace“, um dann in Umarmungen mit warmen Tönen zu schwelgen. Marios Sarantidis bewies quasseliges Moderatoren- und hochdramatisches Rezitatoren-Können im TV-Imitat, mit einem Euripides-„Bakchen“-Ausschnitt auf Griechisch und guten Bariton-Qualitäten in Vivaldis „Non so…“. Auch die drei anderen Solisten beeindruckten mit Arien von Hasse und Pergolesi bis zu einem wenig bekannten Mozart-Terzett – voran die Mezzosopranistin Nadia Steinhardt, die mit je einer Hasse- und Vivaldi-Komposition bewies, dass die Trauer- und Klage-Arien des 18.Jahrhunderts eine Tiefe und einen Ernst besitzen, die ans Herz rühren. In der raumhohen Podestlandschaft saßen auch ein Geräusch-Elektroniker, ein Cello, zwei Violinistinnen, ein zweiter Cembalist sowie Dirigentin Eva Pons am Cembalo und begleiteten die singenden Sportskanonen sicher über „Ziellinien“ und „Hochsprungstangen“, in „Wurfkreisen“ und im einsamen Elend der Kabinen – insgesamt ein geradezu überbordender Abschlussabend für die sportiven Sänger mit „Spiel, Satz und Sieg“.

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