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In der Matrix. Foto: Hufner
In der Matrix. Foto: Hufner
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Gewaltiges opernhaftes Klanggebilde – Don Davis’ „Matrix live“ in der Frankfurter Alten Oper

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Angesichts der verblüffenden Effekte in der spannungsdichten Handlung, bekommt wohl kaum ein Besucher des Kultfilms der Brüder Andy und Larry Wachowski bei Aufführungen im Kino mit, welch entscheidende Rolle in der Vermischung der Ebenen von Realität und Phantastik die Musik spielt. In der Frankfurter Alten Oper hat Frank Strobel mit dem hr-Sinfonieorchester Don Davis’ horizontal und vertikal umfangreiche Partitur zu diesem Science-Fiction-Film nun live interpretiert.

Dafür wurde eigens die Tonspur auf Dialoge und Geräusche reduziert. Davis’ live erklingende Komposition, polytonal und minimalistisch, dissonant schreiend und auch mit großen emotionalen Ausbrüchen im Sinne der klassischen Filmmusik, wurde zu einem emotional aufpeitschenden Erlebnis.

Der kalifornische Komponist des Jahrgangs 1957 hat nicht nur Filme, wie „Jurassic Park III“ und „Bound – Gefesselt“ komponiert, sondern war mit einigen seiner Kompositionen auch auf den Tagen für Neue Musik in Donaueschingen vertreten. Seine Oper „Rio de Sangre“, 2010 in Milwaukee uraufgeführt, steht für die deutsche Erstaufführung in Berlin an.

Wie „opernhaft“ bereits Davis’ Musik zu dem 1999 uraufgeführten, mit vier „Oscars“ ausgezeichneten Film „Matrix“ ist, vermittelt Frank Strobel in seiner Deutung durchaus kongenial.

Wie schon bei Stummfilmen, wo sich dieser Dirigent als absoluter Meister der Synchronität erwiesen hat, erfolgen die orchestralen Effekte exakt auf dem Punkt, wobei der Schwierigkeitsgrad durch das erforderliche, minutiöse Zusammenspiel mit Bild und Wort noch erhöht ist. Das die „Matrix“-Handlung bestimmende Aufeinandertreffen von Realität und virtueller Welt wird durch die Mischung von Streichern und Elektronik auch musikalisch sinnfällig. Selbst bei Elementen der Aleatorik, dem skurrilen Improvisieren der Instrumentalisten des groß besetzten Orchesters, bewahrt Strobel die ordnende Hand. Patterns der Minimal Musik, mit hörbaren Einflüssen von Philip Glass und John Adams, bilden eine Einheit mit dem vordem nicht erkennbaren symphonischen Fluss der Gesamtpartitur, die nur an wenigen Momenten verstummt, um allein dem Wort des Dialogs Raum zu gewähren, hier in englischer Originalsprache mit deutschen Untertiteln.

Durch die von Marco Jovic, gemeinsam mit dem Komponisten vorgenommene Einrichtung der Partitur für die Live-Aufführung, wirken einige Szenen der Filmhandlung durchaus noch spannender und gelingen musikdramaturgisch zwingender als beim üblichen Soundtrack des Films.

Faszinierend, dass auch zahlreiche akustische Effekte der Filmhandlung vom Orchester selbst erzeugt werden, vom Rauschen über Surren und Grummeln, bis hin zur Mischung mit Elektronik in den Techno-Passagen im Stile des BigBeat, mit Gitarrenriffs und Synthesizereffekten und dem vokalisen Einsatz der menschlichen Stimme.

Die kommt besonders gut zum Tragen, wenn beim Nachspann, nach knapp zweieinhalb pausenlosen Stunden, das vordem grünlich flimmernde Matrix-Licht vor der Leinwand aufgehellt wird, das trefflich disponierte Orchester des Hessischen Rundfunks und der solistische Limburger Domsingknabe das in seiner Verhaltenheit besonders wirkungsintensive Nachspiel zu einem erneuten Höhepunkt machen.

Der Jubel des Publikums in der (nicht bis auf den letzten der über 2000 Plätze besetzten) Alten Oper Frankfurt machte sich mit einer Stärke Luft, die hinter den Klangeruptionen von Don Davis kaum zurückblieb.

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