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Insu Hwang, Tobias Haaks, Dorothea Herbert. Foto: Volker Beushausen

Insu Hwang, Tobias Haaks, Dorothea Herbert. Foto: Volker Beushausen

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Gut tiriliert – Richard Wagners „Lohengrin“ wird in Hagen zur Vogelkunde

Vorspann / Teaser

Richard Wagners „Lohengrin“ hat im Laufe seiner Geschichte unzählige Deutungen erfahren – mal umjubelte, mal abgelehnte, politisch brisante, vielleicht auch mal witzige. Dieser letzten Kategorie könnte man wohl die Inszenierung zuordnen, die die Regisseurin Nelly Danker jetzt am Theater Hagen zur Diskussion stellt. Aber was heißt „zur Diskussion“! Lebhaft kontrovers wird der Meinungsaustausch über ihre Arbeit wohl eher nicht ausfallen. Dafür ist sie schlicht zu harmlos.

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Nelly Danker verortet das Geschehen rund um Elsa und Lohengrin, Ortrud und Telramund in … das Reich der Vögel! Kaum ist das ätherische Vorspiel des Orchesters vorbei, flattert zu den Tönen der markigen Blechbläser der Heerrufer herbei, dann die Edlen von Brabant und Krieger – allesamt in hübschem und farbenfrohem Federkleid. Das geht konsequent so weiter, wenn nach und nach die eigentlichen Protagonisten auf die Bühne kommen. Ein putziger Anblick. Die Sorte der Vögel ist dabei nicht beliebig ausgewählt. Aber wer ist wer? Das Programmheft liefert sieben Porträts prächtiger oder weniger prächtiger Vögel – die Zuordnung zu den jeweiligen Personen allerdings muss jede und jeder schon für sich selbst versuchen, ist aber gar nicht so schwierig.

Also: Elsa ist ein weißer Pfau, Lohengrin einer in blau. Den Schwan gibt es in Weiß für den, der Lohengrin im imaginären Kahn ins Spiel schleppt, in Schwarz für die Gralshüter. Dann ist da der Goldfasan im Portfolio – passend für Ortrud, während König Heinrich als Wiedehopf auftritt. Der Blauhäher ist dem Heerrufer vorbehalten, Telramund kommt als Tragopan daher, ein (wie wir lernen) Vertreter innerhalb der Gattung der Fasanartigen! Das gemeine Volk treibt sich als Krähen (!) und eine nicht weiter spezifizierbare Vogelart herum. Das alles ist wirklich äußerst nett anzusehen und verdient vor allem ein riesiges Lob in Richtung der Kostümabteilung des Theaters Hagen angesichts virtuoser Arbeit. Welch ein Aufwand! Mit welch einem fantastischen Ergebnis, für das Kostümbildnerin Amélie Sator verantwortlich ist!

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Insu Hwang, Angela Davis, Chor. Foto: Volker Beushausen

Insu Hwang, Angela Davis, Chor. Foto: Volker Beushausen

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Die Frage stellt sich, ob diese konsequent ins Reich der Ornithologie verlegte Lohengrin-Version ein erhellendes Moment liefert. Auf Anhieb gibt Nelly Danker darauf keine Antwort. Man kann mutmaßen, dass sie sich hat inspirieren lassen von der Jahrhunderte alten Legende, Heinrich I., König des Ostfrankenreichs, habe eine Affinität zu seinen gefiederten Freunden gehabt. Eine erkennbare Rolle spielt dies hier nicht, stattdessen wird das Drama um Elsa und Lohengrin eigentlich geradlinig erzählt. Ohne Überraschungen, für die Robert Pflanz’ Bühne auch gar keine großen Möglichkeiten bereithält. Im Wesentlichen steht ein klotziger Fels im Zentrum der Spielfläche, ergänzt von fahrbaren Treppenkonstruktionen und drei im hinteren Bühnenbereich aufgehängten Projektionsflächen für dezent eingesetzte Videos (Naturhaftes aus dem Wald, die Kuppel einer Kirche, eine alte steinerne Wendeltreppe). Pflanz’ Konstruktion dient hauptsächlich zum Stehen: Solisten und Opernchor sind da alles andere als flatterhaft, wirken eher wie ausgestopft. Auch die Nacht nach der „Vogelhochzeit“ zwischen Elsa und Lohengrin gerät statisch und nüchtern, ist aber mit einem geflochtenen Nest und jede Menge Kissen darin niedlich bebildert.

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Dorothea Herbert. Foto: Volker Beushausen

Dorothea Herbert. Foto: Volker Beushausen

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Möchte man im Bild bleiben, ließe sich unbedingt konstatieren, dass herrlich tiriliert wird! Dorothea Herbert (Elsa) und Angela Davis (Ortrud) legen ganz viel Persönlichkeit und tief empfundene Emotionen in ihre Stimmen, aufbrausende ebenso wie lyrische. Dong-Won Seo ist ein gebieterischer Wiedehopf alias König Heinrich mit enorm fülligem Bass, Insu Hwang überzeugt auf ganzer Linie als Telramund. Tobias Haaks im Gewand des Schwans schlägt mit starkem, kernigem Forte und Fortissimo sein Rad (allerdings nur vokal, nicht darstellerisch), könnte im Piano-Bereich sein Gefieder noch etwas geschmeidiger glänzen lassen. Chor und Extrachor, von Julian Wolf gediegen trainiert, entfalten enorme Kraft, die Dirigent Joseph Trafton auch mit dem Philharmonischen Orchester Hagen demonstriert, mitunter ein wenig lärmend auftrumpfend.

Gut vier Stunden lang also mutiert das Hagener Theater zu einem Vogelkäfig mit heterogen zusammengestelltem Besatz – und bekanntlich traurigem Finale. Schön anzusehen und anzuhören ist das ganze Treiben dennoch!

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