Das vergangene Opern-Jahr war nicht nur eines des mehr oder weniger originell abgefeierten Verdi-Gedenkens, es war – in bescheideneren Ausmaßen freilich – auch ein Jahr der Rehabilitation für das Opernschaffen von Walter Braunfels. Der szenischen Uraufführung seines vorletzten Bühnenwerks „Der Traum ein Leben“ in Regensburg (siehe nmz 6/01, S. 36) folgte im August in Stockholm die Uraufführung der „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“, seiner letzten Oper. Diese konzertante Produktion mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war nun – größtenteils gleich besetzt – im Münchner Gasteig zu erleben.
Das vergangene Opern-Jahr war nicht nur eines des mehr oder weniger originell abgefeierten Verdi-Gedenkens, es war – in bescheideneren Ausmaßen freilich – auch ein Jahr der Rehabilitation für das Opernschaffen von Walter Braunfels. Der szenischen Uraufführung seines vorletzten Bühnenwerks „Der Traum ein Leben“ in Regensburg (siehe nmz 6/01, S. 36) folgte im August in Stockholm die Uraufführung der „Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna“, seiner letzten Oper. Diese konzertante Produktion mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war nun – größtenteils gleich besetzt – im Münchner Gasteig zu erleben.Es war eine kluge Entscheidung, das Werk zunächst einmal in seiner musikalischen Qualität wirken zu lassen, denn sie liegt offener zutage als die dramatische. Walter Braunfels hat als konvertierter Katholik und unter dem Eindruck der erzwungenen Isolation während des Dritten Reiches den historischen Stoff konsequent als geistliches Drama, als einen Wunderbericht in acht Bildern gestaltet. Die Einbeziehung historischen Kolorits – hierzu gehört auch die Figur des als „Blaubart“ bekannten Gilles de Rais, der den Zug Johannas nach Orléans finanzierte – sowie einige grotesk-humoristische Momente verhindern zwar die Charakterisierung als reines Mysterien- oder Passionsspiel. Doch steht die religiöse Interpretation der verbürgten Fakten so stark und so ungebrochen im Vordergrund, dass eine szenische Umsetzung wohl mit dem Problem zu kämpfen hätte, eine weitere, die Schaffensumstände mit reflektierende Ebene einbeziehen zu müssen. So erscheint eine schlichte Bebilderung der Krönungsszene vor der Kathedrale von Reims kaum denkbar, verdoppelt sie doch den am Ende des 1. Aktes bereits vorweggenommenen Triumph Johannas in dramaturgisch wenig geglückter Weise. Auch das pompöse Aufgebot mit Chor, Knabenchor (die Regensburger Domspatzen) und Orgel erweist sich hier als nur vordergründig packend.Die wirklich bezwingenden Momente ereignen sich dort, wo es Braunfels gelingt, mit einem kurzen instrumentalen Präludium oder Zwischenspiel eine präzis und zugleich poetisch umrissene Atmosphäre zu schaffen, einen Raum, in dem sich dann die Stimme in einer Weise entfalten kann, die sängerisch dankbar, zugleich aber stets auf Augenhöhe mit der zu charakterisierenden Figur bleibt. Wie Braunfels hier aus dem Reservoir der Tradition schöpft und ihr gleichzeitig frische, kaum gehörte Nuancen zuführt, ist wie schon im Fall von „Der Traum ein Leben“, ein Eindruck, der sich tief einprägt.
Manfred Honneck und dem besonders in Holz und Blech großartig agierenden Orchester ist zu danken, dass sie diese Vorzüge der Partitur großzügig ausspielten und die ausufernde, in Verbindung mit dem Chor bisweilen prekäre Opulenz sakraler Tonfälle klug zügelten, ohne deren Absicht zu verraten. Auch Juliane Banse wusste als Johanna sehr wohl um die Gefahr der Abnutzung ihrer immer wieder hymnisch auflodernden Gesänge und wechselte klug, mit souveräner Stimm- und Textkontrolle die Ausdrucksbereiche. Aus dem übrigen, bestechend homogenen Ensemble seien nur die prägnantesten Männerstimmen genannt: Terje Stensvold als Gilles de Rais, Günter Missenhardt als zwielichtiger „La Trémouille“ und Robert Künzli als ein Heiliger Michael, der die Leuchtkraft des ihm zugeordneten Trompetenmotivs mühelos mit tenoralem Glanz beantwortete. Eine beeindruckende, wichtige Aufführung.