Natürlich verdiente die Sammlung aller Kräfte eines Theaters, um Wagners „Lohengrin“-Anforderungen an Chor, Solisten und Orchester zu bewältigen, zunächst einmal den rauschenden Beifall - noch dazu, wenn ein ortsansässiger Tenor sein Lohengrin-Debüt gab. Außerdem dirigierte der hochbegabte GMD Dirk Kaftan seine letzte Premiere, bevor er ans nächst größere Haus in Graz wechselt. Doch die schwachen Buh-Rufe hatten auch ihre Berechtigung.
Gerhard Siegel besitzt von Loge über Mime bis zu Siegfried oder Parsifal breite Wagner-Erfahrung und sang 2011 in Augsburg einen beeindruckenden Tristan. Doch sein Schwanenritter-Debüt gelang nicht: zu häufiges Detonieren, fehlende Lyrik und ausgerechnet in der Gralserzählung zwei störende Textfehler. Dass neben ihm Sally du Randt die nötige Elsa-Lyrik wie hysterisch Frage-fixierte Glut fehlten und ein vokal blasser König Heinrich sang, senkte die Hörfreude beträchtlich. Leider erblüht auch mit dem Isländer Thorleifur Örn Arnarsson keine „Eisblumen-Orchidee“ der Opernregie.
In Sichtspalten der Bühnenwände störend herumlaufende Chorsänger und Bühnenarbeiter, aufwändige Bühnenbauten, die nicht oder nur umständlich genutzt wurden – waren da Regieassistenten nur auf Konzeptideen statt auf Handwerk konzentriert? Doch auch Arnassons Lohengrin-Sicht ging nicht auf. Gleich zu den ersten, etwas zu irdischen Geigentönen wurden auf der Bühne eine schief hängende, eventuell von Krieg oder von Verfall angegriffene, reich verzierte Saaldecke, die an die Dresdner Semperoper erinnert, sichtbar, darunter in grünlichem Moderlicht eine erstarrte Gesellschaft – enttäuschte 1848er Revolutionäre? Zwischen ihnen spielen Elsa und ihr kleiner Bruder Gottfried Verstecken – bis dieser junge Thronfolger hinter dem Vorhang einer kleinen Bühne im Hintergrund verschwindet. Dann erwacht die Gesellschaft, Elsa wird angeklagt – und aus der kleinen Bühne erscheint in strahlendem Weiß bis in die Haarspitzen Lohengrin: mit einem überbordenden Schwanenfederkleid. Nach umständlichem Einkleiden Elsas folgt die einzig konsequent durchgeführte Regie-Idee: Ortrud bricht eine große Feder aus diesem Kleid. So wie sie ihrem Telramund im wilden Wikinger-Look klarmacht, dass eine abgeschlagenen Fingerspitze Lohengrin entzaubern würde, so macht diese Feder Elsa „wund-zugänglich“ für die final zerstörerische Frage nach Lohengrins Herkunft, verführt als Streicherobjekt Telramund zum weiteren Attacken – und dem Bruch mit Lohengrin knickt Elsa nach selbst eine Feder aus dem Kleid: damit sticht sie dem angreifenden Telramund in die Halsschlagader, was spektakulär Theaterblut spritzen lässt, dazu wallt Video-Blut im Hintergrund – nur macht dann Lohengrin vor dem König eine Falschaussage zu Telramunds Tod … Elsas Schwanenfederkleid wird Lohengrin zu seinem Abschied von Chordamen zurückgegeben, der es dann Gottfried auf die Arme häuft, der damit am Ende verloren dasteht … da war der gerne dramaturgisch mitdenkende Zuschauer auch verloren.
Denn der ja anfangs im Theater verschwundene Gottfried erschien zur Schlussszene sehr früh aus einem Gletscher-Video auf der Bühne, so dass Lohengrins „Seht da…“ nur sinnentleert aus dem Off erklang … Da zusätzlich der Chor mehrfach seine Perücken abnahm – also alles nur Theaterspiel? – ergab sich als Quintessenz: inkonsequent verquastes Theater.
Inmitten dieser Regie-Verstiegenheiten blieb nur die Freude an dem ungefährdet gut singenden Dong-Hwan Lee als Heerrufer, dem markanten Bariton von Jaco Venters Telramund, übertroffen von der gefährlichen Erotik und intriganten Schärfe der Ortrud von Kerstin Descher. Sie alle führte Dirk Kaftan mit den gut reagierenden Augsburger Philharmonikern erfreulich differenziert: zu den großen Aufschwüngen samt Trompetengeschmetter aus den Rängen kontrastierte das mal bös untergründige, mal sehnsuchtsvolle Elend der unterschiedlich unerlösten Figuren im Piano. Doch gegen diese Szenerien kam auch die Musik nicht zu ihrer vollen Wirkung.