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Integrales Bewußtsein und sparsame Affektgestik

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Geburtstagskonzert für Peter Michael Hamel beim Münchner Klaviersommer
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Der Münchner Komponist Peter Michael Hamel hat zur Zeit reichlich Grund zum Feiern. Am15. Juli beging er seinen fünfzigsten Geburstag - und so alt muß man heute schon werden, um nicht mehr zur Rubrik der jungen Komponisten gezählt zu werden. Und dann erfolgte Mitte August seine Berufung zum Professor für Komposition an die Hamburger Musikhochschule. Zur Geburtstagsfeier hatte man ein Hamel-Konzert in den Münchner Klaviersommer integriert. Vor der Pause gab es Kammermusikalisches vom Geburtstagskind, danach improvisierte Hamel mit Freunden aus dem Umkreis der Ethno-Gruppe „Embryo“. In den letzten Jahren hatte Hamel immer wieder mit großdimensionierten Werken von sich reden gemacht. Es gab Aufträge der Münchner Philharmoniker (Sinfonie „Die Lichtung“ 1988, „MISSA“ 1995), sowie das großangelegte Holocaust-Projekt „Shoa“ und die diesen Winter im Münchner Prinzregententheater uraufgeführte Passion. Weit stiller aber ging es in diesem Konzert mit Christiane Edinger, Violine, Irmela Nolte, Flöte, Sabine Liebner, Klavier, und der Schlagzeugerin Edith Salmen zu. Und man fragte sich spontan, ob diese Hinwendung zum Leisen, zum kleinen, manchmal fast scheuen Motiv nicht weit mehr dem Naturell Hamels entsprechen, als die große, romantisch abgesättigte Geste. Hamel hatte, 68-bewegt, gesellschaftspolitisch zu komponieren begonnen. Schon bald gewannen vor allem ostasiatische Denkformen für seine musikalische Sprache an Gewicht. Die hatte Hamel auf mehreren Reisen eingehend studiert, und so brachte er im Gepäck die Idee einer integralen Musik (abgeleitet von Überlegungen des Philosophen Jean Gebser mit nach Hause. Asiatisch Meditatives und abendländisch Strukturelles geben sich die Hand, magische Klangsuggestion traf sich mit kontrollierter Verarbeitung. Durch Kompositionen von John Cage, Morton Feldman oder aus dem Umkreis der amerikanischen Minimal-Bewegung sah sich Hamel in seinen Ansätzen bestärkt. Deren Sparsamkeit, die Konzentration auf Ton und kurze Phrase, beeinflußten nachdrücklich seine weiteren kompositorischen Arbeiten. Die Stücke - „Tagtraum“ für Altflöte, „Aus Claras Tagebuch“ für Violine und Klavier, „Ballade“ für Marimba und „Morton Feldman in my Life“ wagen sich ungeschminkt vor an Grenzen der Einfachheit. Eine pentatonische Folge, ein Schichtklang aus Quinten genügen schon, um die Verlaufsform eines Satzes abzustecken. Hamel hält diese selbstverordnete Beschränkung konsequent durch - und gerade das bestimmt die Eigenwilligkeit seiner Musik. Hörer wie Interpreten sammeln sich gleichsam um eine Intervall-Floskel, ja sie sammeln sich in ihr. Diese Formen meditativer Konzentration werden angesteuert, leise Auswuchtungen in Affektzeichnung können sich hinzugesellen. Hier wohl ist intensiver ein Bild des integralen Bewußtseins vermittelt, als in den ausdrucksschwer belasteten, großflächigen Werkkomplexen der letzten Jahre. Es wäre nicht uninteressant, wenn Hamel in seiner zweiten Lebenshälfte den Momenten des Hinhörens auf fundamental Einzelnes, der sparsamen Affektgestik in verdichteter Form nachginge. Ein Hauptwerk der inneren Selbstfindung stünde an.

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