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Richard van Gemert (Boni), Maria Klier (Stasi). Foto: Klaus Lefebvre
Richard van Gemert (Boni), Maria Klier (Stasi). Foto: Klaus Lefebvre
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Kleine Inszenierung, großartiges Ensemble – Emmerich Kálmáns „Csárdásfürstin“ in Hagen

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Im Foyer des Hagener Theaters hängen Fotos aus der Zeit nach 1911, dem Jahr, als das Haus errichtet wurde. Prächtige Bilder eines stolzen Gebäudes, innen wie außen. Es gibt aber auch Fotos, die das im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Theater zeigen – und wie es anschließend wieder aufgebaut wurde. Wer die kommunale Kulturpolitik Hagens in den zurückliegenden acht, neun, zehn Jahren beobachtet, muss den Eindruck gewinnen, die Entscheidungsträger im Rat der Stadt wollten ihr eigenes Haus erneut schwer beschädigen. Weil sie seit etlichen Spielzeiten immer wieder durch neue Daumenschrauben den Etat ausbluten lassen. Dieses Spar-Diktat haben zuletzt Intendant Norbert Hilchenbach und sein engagiertes und hoch motiviertes Team umgesetzt – widerwillig.

Die künstlerische Qualität aber, die Hagen in den Sparten Oper, Tanz und Junges Theater zu bieten hat, bewegt sich trotz aller Kürzungen weiterhin auf hohem Niveau. Und mitunter fragt man sich wirklich: Wie machen die das eigentlich?

Zum Beispiel dadurch, dass Norbert Hilchenbach ein Solistenensemble aufbaut und zusammenhält, das flexibel einsetzbar ist und ziemlich viel von dem abdeckt, was der Hagener Spielplan erfordert. Zuletzt Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“. Alle Rollen können aus dem Ensemble besetzt werden – und fast durchweg gut. Da ist Richard van Gemert als quirliger Graf Boni, der immer ziemlich direkt das sagt, was er meint. Und was er will! Van Gemert ist ideal mit seinem leichten, dabei kernigen Tenor, changiert darstellerisch zwischen naiver Verträumtheit und nervöser Aufgeregtheit. In Hagen bekommt man fast den Eindruck, er spiele die Hauptrolle. Das könnte man auch über Rainer Zaun sagen, der den ganzen Abend über in schönstem ungarischen Slang und sonorem Bass den Feri Bácsi gibt. Feri und Boni – ein herrliches Duo. Maria Klier schlüpft in die Rolle der Komtesse Anastasia („Stasi“) – und macht dies stimmlich wie darstellerisch äußerst überzeugend mit ihrem Soubretten-Sopran, der mühelos jede Höhe erklimmt. Dass sie am Ende in Graf Bonis Arme fallen darf statt – wie von den Schwiegereltern in spe vorgesehen – in jene von Edwin Ronald, liegt sicher nicht an dessen Darsteller Kenneth Mattice. Der nämlich lässt seinen vorzüglichen, durch alle Register hindurch balsamischen Bariton verströmen, müsste allenfalls noch ein Quäntchen mehr Emotionalität und schauspielerische Lockerheit mobilisieren. Und dann der doch eher auf die Konventionen schielende Fürst Leopold Maria! Werner Hahn, Urgestein des Theater Hagen, gibt diesem Adeligen die würdigste Statur, während Marilyn Bennett (nicht weniger Urgestein des Hauses) sich im Verlauf der Handlung immer bewusster wird, dass ihre eigene Herkunft derjenigen ähnelt, die ihr Göttergatte an Sylva Varescu kritisiert: denen der „Mädis vom Chantant“. Die Varescu (die „Csárdásfürstin“) gibt Veronika Haller. Selbstbewusst. Kraftvoll. Mit Bühnenpräsenz. Klanglich nicht immer optimal, weil farblich etwas zu blass und eindimensional, mitunter (in den Höhen) zu krachend.

Exquisiter Gesang

Exquisit singt der Hagener Theaterchor, Steffen Müller-Gabriel entfacht mit dem Philharmonischen Orchester die ganze Spannbreite dessen, was Kálmán an Wirkung in seiner Partitur angelegt hat: sentimentales Schluchzen wie explodierende Lebendigkeit. Und alles dazwischen. Das ist großartig.

Konventionell dagegen die Lesart des Stücks, wie Regisseur Holger Potocki es in Hagen anbietet. Das ist schöne Unterhaltung, bis hinein in die ebenso konventionell geratenen getanzten Ensembles (Choreografie: Alfonso Palencia). Ein Varieté ist zu sehen, die Empfangshalle derer von und zu Lippert-Weylersheim, die zu erwartende Hotellobby in Wien. Gegen Ende dann (unvermittelt) ein „kritisches“ Moment: Videosequenzen ausländerfeindlicher Demonstrationen werden eingespielt, Graf Boni hat einen Alptraum! Nun ja, gerade Kálmáns „Csárdásfürstin“ hat Potenzial zu einem kritischen Impuls, dem auch gut hundert Jahre nach ihrer Uraufführung nachzuforschen sinnvoll wäre. Dies haben Peter Konwitschny vor 16 Jahren in Dresden und Dietrich Hilsdorf 2014 in Gelsenkirchen getan – in Hagen hat Potocki diese Chance verschenkt, das „Kritische“ wirkt allenfalls als beiherspielendes Moment.

  • Weitere Vorstellungen: 18. und 30. 11.; 8., 14., 20. und 30. 12. 2016

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