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Mitglieder des Orchesters der Musikakademie Ljubljana. Foto: YEC/Kai Bienert
Mitglieder des Orchesters der Musikakademie Ljubljana. Foto: YEC/Kai Bienert
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Laboratorium für das europäische Miteinander

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young.euro.classic zum fünften Mal in Berlin · Von Albrecht Dümling
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Die Bilanz kann sich sehen lassen: die in diesem Sommer insgesamt 17 Konzerte von young.euro.classic waren zu 92,75 Prozent ausgelastet. Das nun zum fünften Mal durchgeführte Festival europäischer Jugendorchester fand damit eine gegenüber den Vorjahren sogar noch verstärkte Publikumsresonanz. Begonnen hatte man im Sommer 2000 mit 24 Konzerten und einer Auslastung von 71 Prozent. Das in diesem Jahr besonders schöne Augustwetter war wohl mitverantwortlich, dass sich an jedem Abend eine große, bunte Menschenmenge an den Stufen des Berliner Konzerthauses am Gendarmenmarkt zusammenfand, um drin-nen gemeinsam auf Entdeckungsreise zu gehen.

Das Berliner Festival ist gerade nicht jene bewährte Mischung aus Barock und Klassik, die an anderen Orten für touristisch sinnvoll erachtet wird. Trotz Stars wie Vadim Repin und Dirigenten wie Lothar Zagrosek und Yan Pascal Tortelier fehlten die üblichen Publikumsmagneten. Meist waren die Orchester, die Dirigenten und Solisten und oft auch die Werke nahezu unbekannt. Aber selbst bei Kompositionen von Juris Karlsons, José García Román oder Nina Šenk gab es volle Säle. Denjenigen, die glauben, nur häppchenweise servierte Meisterwerke könnten Rundfunkhörer bei der Stange halten, wurden schlagend widerlegt.

Der Klang der Regionen

Offenbar gibt es eine Neugier auf das Musikleben der verschiedenen europäischen Länder. Unter den insgesamt 1.500 aktiven Teilnehmern waren neben international besetzten Ensembles in diesem Jahr Lettland, Irland, Deutschland, Spanien, Großbritannien, die Slowakische Republik, Finnland und Slowenien mit eigenen Orchestern vertreten. Man konnte beobachten, wie die wechselnden Nationen ebenso wie die unterschiedlichen Sponsoren jeweils eigene Zuhörerkreise mobilisierten.

Vom Hang der Balten zu harmonischen, meditativen Klängen wusste man schon. In „Koana“ (2003) des Letten Juris Karlsons verband sich dies mit der Frage nach dem „großen Paradox der heutigen Welt“, der angeblich friedensstiftenden Kriegsführung. Aber das schlichte Gegenüber von gehetztem Tumult und „friedlicher“ Ruhe von Streichern, Flöten und Glocken konnte diese anspruchsvolle Frage weder inhaltlich noch musikalisch befriedigend beantworten.

Den großen Apparat von zwei Orchestern forderte der Nordire Philip Hammond in seiner Komposition „Carnavalesque“ (2002), einer Studie über etüdenhafte Ostinati, ohne dies musikalisch rechtfertigen zu können. Es spielte das National Youth Orchestra of Ireland, das im hinzukomponierten Pluto-Satz von Gustav Holsts „Planeten“ auch sängerisch glänzte. Dass selbst große Komponistennamen nicht automatisch Qualität garantieren, zeigte sich an Hans Werner Henzes „Triplo Concerto Barocco“ für die konzertierenden Instrumente Klavier, Cembalo und Orgel. Das jetzt uraufgeführte Stück wurzelt in einer 1980 entstandenen Filmmusik, was den flächigen Arrangements allzu deutlich anzumerken war. Nur selten durchbrachen in diesem durch den Roman „Concierto barocco“ des Kubaners Alejo Carpentier angeregten Pasticcio originelle Klänge, etwa die von Steeldrums, die vorherrschende Konventionalität. Zum schwachen Eindruck trug die blasse Leistung des Joven Orquestra Sinfónica del Principado de Asturias unter Arturo Tamayo bei, das mit der nachfolgenden Sinfonie Nr. 1 von Schostakowitsch schlicht überfordert war. Nicht viel besser stand es um die ebenfalls an diesem Abend uraufgeführte „Elegía“ (2004) von José García Román, die an die Opfer des Madrider Attentats vom 11. März erinnerte.

Das erst im Jahr 2000 gegründete Jugendorchester der Slowakischen Musikgesellschaft wirkte dagegen homogen und in sich ausgeglichen. Bei seiner ersten Auslandsreise war es hochmotiviert, Musik aus seiner Heimat zu präsentieren, was sich an der im Saal aufgehängten Fahne, Ansteckern an der Kleidung sowie nicht weniger als drei slowakischen Werken zeigte. Neben der dritten Sinfonie des Altmeisters Alexander Moyzes, die zwischen Beethoven’schem Pathos und Ravel’schen Farbwirkungen changierte, gab es zwei Uraufführungen, die allerdings in ihrer kompositorischen Substanz noch weniger überzeugten. Mirko Krají wollte mit „Post scriptum“ (2004), einem sehr konventionellen dreiteiligen Werk, über „universale Kausalitäten“ reflektieren. Der 1961 geborene Peter Machajdík, der einmal zu den musikalischen Dissidenten seines Landes gehörte, begab sich in seinem neuen Stück „Das Vergessene wiedergefunden“ (2004) mit Wasserbecken und Glockenklängen auf die Suche nach der verlorenen Oktave.

Musikalische Qualitäten sind weder von der Größe eines Landes noch von jahrhundertealten Traditionen abhängig. So hinterließ das erstmals beim Festival auftretende National Youth Orchestra of Wales einen sehr guten Eindruck. Ebenso überzeugte das 1986 gegründete finnische Sinfoniaorkesteri Vivo, das neben der zweiten Sibelius-Sinfonie das suggestiv farbige Konzert für Vögel und Orchester „Cantus Arcticus“ von Einojuhani Rautavaara sowie ein brandneues Konzert für Viola und Orchester des Rautavaara-Schülers Harri Ahmas spielte.

Zum ersten Mal war Slowenien vertreten. Bei der Wahl des aus Beirut stammenden amerikanischen Dirigenten George Pehlivanian und vor allem der jungen Solistin Anja Bukovec zeigte das Symphonieorchester der Musikakademie Ljubljana Sinn für Showqualitäten. Ein Raunen ging durch den Saal, als die schlanke Geigerin nabelfrei mit Top und glänzender Laminathose wie ein Popstar bekleidet das Podium des Großen Konzertsaals betrat. Da sie aber nicht nur attraktiv aussah, sondern auch im neuen, von Popeinflüssen ganz unberührten Violinkonzert von Nina Šenk ruhige Soli und hektische Motorik makellos bewältigte, war der Jubel groß.

Eine andere Art von Show hatte es einige Tage zuvor beim Auftritt des Bundesjugendorchesters gegeben. Mit der anspruchsvollen Programmfolge von „Mänadentanz“ aus Henzes Oper „Die Bassariden“, den Symphonischen Tänzen aus Bernsteins „West Side Story“ und Strawinskys „Sacre“ lag der Hauptakzent auf dem Rhythmus. Der Dirigent Eiji Oue, Sohn eines Samurai, war damit in seinem Element und feuerte mit tänzerischem Elan und immer neuen Bewegungsfolgen die begeisterten Musiker zu wahren Ekstasen an, ohne allerdings die Tücken der Raumakustik zu bedenken. Was brillant und durchsichtig begann, endete allzu oft in dröhnendem Lärm.

Internationale Orchester

Den Orchestern der einzelnen Länder und Regionen standen internationale Klangkörper gegenüber, die ihre Mitglieder in teilweise komplizierten Verfahren auswählen. Die Attraktivität der Jungen Münchner Philharmonie für viele Ausländer, nicht zuletzt aus Asien, liegt sicher unter anderem in der Schönheit der Auftritts- und Probenorte Seon und Andechs. Eine Neigung zu risikoloser Schönheit zeigte sich aber auch im ausgewählten Repertoire, das neben Bruckners 3. Symphonie (von Mark Mast sehr pomphaft dirigiert) aus bewährten und konventionellen Stücken der US-Amerikaner Cecil Effinger und Joseph Schwantner bestand. Als flexibler erwies sich das Schleswig-Holstein Festival Orchester, das in diesem Jahr erneut zu den Stars von young.euro.classic gehörte. Unter Lothar Zagroseks ebenso präziser wie anfeuernder Leitung wirkte Béla Bartóks Konzert für Orchester so ausgefeilt, spielten die einzelnen Instrumentengruppen so plastisch und homogen, dass man kaum glaubte, dass hier Musiker aus 29 Nationen für einen einzigen Sommer vereint waren.

Das Festival versteht sich als Symbol und Werkzeug des zusammenwachsenden Europa. Dem entspricht die Unterstützung durch prominente Paten sowie durch ein „Diplomatic Board“. Mit einem aus Letten und Spaniern zusammengesetzten Campus-Orchester wollte man ausprobieren, wie auch extrem unterschiedliche Temperamente miteinander auskommen. Die an zwei Abenden präsentierten Resultate ließen noch Wünsche offen, jedoch wollen die Veranstalter auf diesem Weg weitergehen.

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