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Magie aus kultischen Urgründen

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Uraufführungen 2013/12
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Die scheinbar rein eigengesetzlich verlaufende europäisch-abendländische Kunst steht bei aller mühsam erstrittenen Autonomie weiter in teils offensichtlicher, teils unterschwelliger Verbindung mit kultischen Praktiken vordenklicher Zeiten. Kunst und Musik befreiten sich zwar nach und nach aus den einstigen Natur-, Jagd-, Initiations- und Stammesritualen ebenso wie später aus funktionalen Einbindungen in kirchliche, höfische und volkstümliche Zeremonien, Bräuche, Feste und Feiern. Doch die über Jahrtausende bei magischen Handlungen gebildeten funktionellen Dispositionen beziehungsweise – wie der Tiefenpsychologe C.G. Jung gesagt hätte – „Archetypen“ wirken weiter. Trotz aller Aufklärung, Rationalität und Konstruktivität macht nicht zuletzt gerade die Verbindung zu diesen Urgründen noch heute die Magie und Faszinationskraft vieler Kunst und Musik aus. Vor allem das Tanz- und Musiktheater rührt unverkennbar an die einst kultische Einheit von Musik mit Bewegung, Sprache, Handlung, Szene und der damit verbundenen Sehnsucht nach Erfüllung, Ganzheit, Teilhabe und Vereinigung von Akteuren und Publikum. Warum sonst gibt es so viele neue Tanz-, Märchen- und Zauberspiele?

Eigens thematisiert findet sich die magische Kraft von Kunst in Oscar Wildes Erzählung „Das Bildnis des Dorian Gray“, wo in direkter Verkehrung des alten Sinnspruchs „Kurz ist das Leben, ewig die Kunst“ gerade im Gegenteil das Porträt eines Dandys altert und der Abgebildete sich anhaltender Jugend und Schönheit erfreut. Das gleichnamige Ballett von Michael Pink auf Musik von Tobias PM Schneid hat am 1. Dezember Premiere am Theater Augsburg. Als Koproduktion der Oper Köln mit dem Fonds Experimentelles Musiktheater des Kultursekretariats NRW gelangt am 7. Dezember im Kölner Palladium das Musiktheaterwerk „Musik – I make hits motherfucker“ zur Uraufführung, mit Musik von Michael Langemann auf einen Text der viel diskutierten Jungautorin Helene Hegemann nach dem – zumindest im Obertitel – gleichnamigen „Sittengemälde“ von Frank Wedekind.

Die Stuttgarter Oper präsentiert am 19. Dezember erstmalig Richard AyresʼFamilienoper „Peter Pan“ nach der Geschichte von James Mattew Barries. Am 5. Januar gelangt die Oper „Oscar und die Dame in Rose“ von Fabrice Bollon nach einer Erzählung von Eric-Emmanuel Schmitt am Theater Freiburg erstmals auf die Bühne. Und an menschliche Ursehnsüchte und -ängste rührt schließlich Wilfried Hillers „Der Flaschengeist“ nach dem 1893 erschienenen Roman „The Bottle Imp“ von Robert Louis Stevensons, der den Wünsche erfüllenden Kobold aus der Flasche mit dem Motiv des Teufelspaktes verband und auf Hawaii ansiedelte. Premiere hat dieses „Singspiel aus Ozeanien“ am 23. Januar im Carl-Orff-Saal des Münchener Gasteig.

Von Hawaii stammt auch die Ukulele, die das „Cologne Contemporary Ukulele Ensemble“ am 14. Dezember bei seinem Gründungskonzert im Kolumba Kunstmuseum Köln mit dem neuen Stück „Q’s“ für fünf Ukulelen und Basskalimba von Albrecht Zummach aus seiner Randständigkeit als ulkiges Show- und Spielzeuginstrument befreien möchte.

Auch sonst gibt es in Köln zahlreiche Uraufführungen: Am 1. Dezember spielt das Ensemble musikFabrik im Rahmen seiner Konzertreihe im WDR erstmals das Konzert für Doppeltrichter-Posaune und Ensemble „WoDu Jail (Krise des Königs)“ von Bernd Thewes. Am 10. Dezember bringt die Pianistin und Akkordeonistin Dorrit Bauerecker in der Alten Feuerwache neue Stücke von Simon Rummel, Oxana Omelchuk und Manos Tsan­garis zur Uraufführung. Die nächsten Konzerte der WDR-Reihe „Ensembl[:E:]uropa“ am 16. Dezember und 12. Januar präsentieren neue Werke von Oxana Omelchuk und Andreas Dohmen beziehungsweise Sven-Ingo Koch und Alexey Shmurak.

Und am 10. Januar ist bei „Musik der Zeit“ des WDR in der Kölner Philharmonie erstmalig Jörg Widmanns „Labyrinth“ für Sopran und Orchestergruppen zu erleben.

Weitere Uraufführungen

02.12.: Dirk D’Ase, Lukas Haselböck, Gernot Schedlberger, Alexandra Karastoyanova-Hermentin, Klaus Ager, Erin Gee, neue Kammermusikwerke, Arnold Schönberg Center Wien
13.12.: Philippe Manoury, Jorge E. López, neue Orchesterwerke, musica viva Herkulessaal München
13.12.: Manfred Trojahn, Le ceneri di gramsci – Sechs Gesänge für Bariton und Ensemble auf Texte von Pasolini, Conservatorio Santa Cecilia Rom
14.01.: Hakan Ulus, neues Werk für Ensemble Aventure, Elisabeth Schneider Stiftung Freiburg
18.01.–02.02.: Festival Klangzeit
Münster u.a. mit neuem Orchesterwerk von Michael Jarrell

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