Leoš Janáčeks 1921 entstandene Oper „Das schlaue Füchslein“ ist vordergründig eine Ausstattungsoper – Tiere und Insekten tummeln sich im Bühnenwald – und damit eine Kinderoper. Doch schon lange wurde die Geschichte vom gefangenen Füchslein für die Regie anders verstanden: Es geht um den Kreislauf des Lebens, den Verlust der Menschen von der Liebe zur Natur, um menschliche, an den Tieren abgeschaute Liebe, um die Ähnlichkeit von Mensch und Tier, um Vergänglichkeit und Neubeginn, wenn der Förster an seinem Ende ein ganz junges Füchslein wieder trifft.

Das schlaue Füchslein. Seumas Begg (Dackel), Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin), Mykola Pavlenko (Hahn) mit Opernchor. Foto: © Stephan Walzl
Mein Gott, ist der reizend! Mélanie Huber inszeniert in Oldenburg Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“
Janáčeks verzauberndes Alterswerk, von ihm selbst als sein bestes Werk bezeichnet, hat nicht ohne Grund Konjunktur. Hatte Tatjana Gürbaca vor vielen Jahren in Bremen nahezu vollkommen auf nachgemachte Natur verzichtet, entschied sich jetzt in Oldenburg die Schweizer Regisseurin Mélanie Huber für Tiermasken (bunte und einfallsreiche Ausstattung von Lena Hiebel). Um die philosophische Ebene deutlich zu machen, bedeutet das, eine entsprechende Körpersprache zu finden. Es gelang eine geradezu tänzerische Choreografie, Tieren abgeguckt, aber immer der geforderten menschlichen Emotion angepasst. An inhaltlichen Schnittstellen nimmt die vom Förster gefangene Füchsin ihren Tierkopf ab: Wie, er findet mich schön? Und der Fuchs zeigt sich in verführerischer Schönheit: Mein Gott, ist der reizend, stammelt fassungslos die Füchsin. Stephanie Hershaw und Anna Dowley präsentieren mit leuchtenden Stimmen ihre heile Welt – die Liebesszene mit dem Fuchs und anschließender Hochzeit ist eine der schönsten der Operngeschichte – entfaltet immer wieder ihren Zauber gegen die Menschenwelt, deren äußeres eigentlich derselbe ist wie der der Tiere: der Wald.
Das gefangene Füchslein erlebt durch die Quälerei der Kinder und der Frau des Försters demütigende Abhängigkeit von den Menschen, flieht und demonstriert durch sein authentisches (Liebes)leben mit dem Fuchs, dass die Menschen das Paradies verloren haben: symbolisch wird es zerschossen, als der Wilderer Harasta das Füchslein erschießt, weil er ein Fell sucht für seine Geliebte. Im Feuerwerk szenischer Einfälle der Beziehungen – die Füchsin kämpft, fordert erfolglos die Henne zum Widerstand auf, erobert sich die Höhle des Dachses – darf sich die Musik entfalten, diese wunderbare, der tschechischen Sprache und der Natur nachempfundene Musik.

Das schlaue Füchslein. Stephanie Hershaw (Bystrouška / Füchsin), Aksel Daveyan (Förster). Foto: © Stephan Walzl
Die Aufführung in deutscher Sprache erscheint mir allerdings als ein „No go“, wenn man weiß, wie Janáček durch die Straßen lief und die tschechischen Sprachmelodien systematisch aufgezeichnet hat, um sie für seine innerlich glühenden Kompositionen zu verwenden. Musik, die oft minutenlang an einem Grundton hängt, keine Kadenzen kennt, Kirchentöne und deren chromatischen Verfärbungen verwendet und kleinste Motive aneinanderreiht. Das ist so ausgeklügelt und farbenreich instrumentiert, so glasklar artikuliert, dass ungemein suggestive Stimmungen entstehen: Vito Cristofaro mit dem Oldenburgischen Staatsorchester überzeugt mit der überwältigenden Freisetzung der emotionalen Energien dieser lodernden Musik, die nie zur Ruhe zu kommen scheint.
Und die Menschen? Der Schulmeister (wunderbar zappelig Seumas Begg) und der Pfarrer (erfahren und weise Irakli Atanelishvili) vertrinken Abend für Abend ihr vertanes Leben, der Wilderer Harasta (energiegeladen Paul Brady) ergänzt die verkommene Männergesellschaft. Der Blick ist aber hauptsächlich auf den Förster gerichtet, der in einem gewaltigen und ergreifenden Schlussmonolog den „ewigen Kreislauf von Geburt, Leben und Vergehen“ (Meinhard Saremba) verstanden hat. Die apotheotische Schönheit dieser Musik ergänzte Axel Daveyan mit der inhaltlich-reflektiven Perspektive dieser biographischen Umstände: der siebzigjährige Komponist war seit vielen Jahren in die 38 Jahre jüngere Kamila Stösslová verliebt – muss man annehmen, dass Janáček hier von sich selbst spricht.
- Weitere Aufführungen noch in dieser Spielzeit: 24.6. und 2.7. und 6.7., ab Oktober auch wieder in der nächsten Spielzeit.
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