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Sommernachtstraum – ein Musical nach W. Shakespeare. Foto: Martin Janzik

Sommernachtstraum – ein Musical nach W. Shakespeare. Foto: Martin Janzik

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Mit Henzes Pollicino hatte alles begonnen

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Vier Jahrzehnte kreatives Tandem: Wolfgang König und Veronika te Reh und ihre Musicals mit Kindern und Jugendlichen
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„Der Kleine Mombotz“, „Mtoto Bogo“, „Motz und Arti“, „Magic Drum“ – Musikschullehrer und Schulmusiker, die sich einmal ernsthaft mit Musicals für Kinder befasst haben, kennen die Klassiker des Autoren-Gespanns Wolfgang König–Veronika te Reh. Ihr Bekanntheitsgrad reicht weit über den engeren Kreis der emsländischen Gemeinde Beckum-Warendorf hinaus, wo die beiden viele Jahre die Arbeit der örtlichen Musikschule mit ihren Projekten prägten. 2023 können König und te Reh auf 40 Jahre erfolgreiche Musicalarbeit zurückblicken. Begonnen hatte alles 1983 mit der ersten deutschen Schulinszenierung von Hans Werner Henzes „Pollicino“ durch die beiden – die deutsche Erstaufführung auf professioneller Bühne hatte 1981 in Schwetzingen stattgefunden.

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Als Henze seine inzwischen legendäre Kinderoper am 2. August 1980 in dem toskanischen Barockstädtchen Montepulciano  beim 5. Cantiere Internazionale d’Arte zur Uraufführung brachte, war das Pionierarbeit: Seine Darsteller waren Kinder und Jugendliche aus dem Ort, die durch die Gunst der Stunde unverhofft zu erstklassigem Musikunterricht kamen. Henzes Pollicino brachte ihnen die verschiedenen Formen von Arien über Ensembleteile bis hin zu orchestralen Einschüben wie Marsch, Walzer oder Tango nahe und ermög­lichte den jungen Akteurinnen eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der musikalischen Materie. Sie lernten einen Sommer lang den Umgang mit ihnen unbekannten musikalischen Formen kennen und ganz nebenbei legte Henze damals den Grundstein für die Musikschule Montepulcianos, die bis heute Musikkultur in die toskanische Provinz bringt.

Im emsländischen Beckum-Warendorf gab es freilich schon eine Musikschule, und dazu das junge Musikschullehrerpaar Wolfgang König und Veronika te Reh, die von der Idee dieses partizipatorischen Musiktheaters fasziniert waren und so die erste deutsche Schul­inszenierung des „Pollicino“ an ihrer Musikschule aufführten. Das schlug ein wie eine Bombe: Radio Bremen übertrug die Premiere aus der Ahlener Stadthalle und produzierte aus der Probenarbeit heraus mehrere Schulfunksendungen, und der Verband deutscher Musikschulen (VdM) lud die Beckumer ein, „Pollicino“ auf dem Bundesmusikschulkongress 1983 in Osnabrück als Musterprojekt für Musiktheaterarbeit vorzustellen.

Selber machen, das war das Geheimnis

Es war die Initialzündung einer inzwischen vierzigjährigen Erfolgsgeschichte: Nach „Pollicino“ und dem Folgeprojekt „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck fanden die beiden keine adäquate Literatur mehr. Wollten sie weitermachen, dann mussten sie selbst schreiben. Mit dem ersten eigenproduzierten Stück „Strubbeltatz“ stellten sie 1986/87 die Weichen für ihre gesamte spätere Arbeit.

„Strubbeltatz“, „Der kleine Mombotz“, „Mo(t)z und Art(i)“ oder Ngoma Bär sind mittlerweile Kindermusical-Klassiker geworden, und jeder, der im Umfeld von Musikschule und anspruchsvollem Musikunterricht sich mit Repertoire für Kinderstimmen befasst hat, ist den Stücken schon einmal begegnet.

Die Werkliste ist bis heute auf 25 abend- und saalfüllende Werke angewachsen. Jedes Jahr mindestens ein neues Musical, das war und ist der Rhythmus, auf den sich das Autorengespann te Reh und König eingegrooved hatten. Te Reh schreibt die Libretti, ist für höchst fantasievolle und opulente Ausstattungen zuständig und leitet die Kinderchöre an. König schreibt und arrangiert die Musik fürs Schulorchester – inszeniert wird gemeinsam.

Damit machten Wolfgang König als Leiter und Veronika te Reh die Musikschule Beckum-Warendorf zu einem bundesweiten Zentrum für Kindermusicals. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Kunstschule Bagamoyo in Tansania, wurde bald zum Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Musikschullandschaft.

Dort unterrichteten sie 1992 zum ers­ten Mal und es entstanden Kontakte und entwickelten sich viele Projekte, die sich in etlichen afrikanischen Musicals niederschlugen. Es ging zunächst um interkulturellen Austausch, bald auch um soziale Projekte wie den Bau einer Grundschule.

Stoffsuche als Prozess

Bis 2016 war Wolfgang König Schulleiter, danach, mit 69 Jahren, ließ er sich verrenten, während seine Frau bis heute an der Schule Chorarbeit macht. Doch auch beim Pensionisten König läuft und läuft die Produktion weiter. Man fragt sich, woher die beiden diese immense Kreativität nehmen und wie die Stoffe zu den Autor*innen kommen? „Es ist ja nicht so, dass man das eine Stück abschließt“, sagt te Reh rückblickend, „und dann ein anderes bei Null beginnt. Alles wächst, geht ineinander über. Oft ist es ist dann so, dass die Kinder fragen, was als nächstes kommt. Das heißt, sie treiben uns vor sich her…“

„Wir machen keine tagespolitischen Themen“, so König, „wir nehmen meis­tens archetypische Verhaltensweisen ins Visier: Ob das Liebe ist, ob das die Beziehung zur Natur ist, oder ob das Konflikte im menschlichen Zusammenleben sind. Wir versuchen, übergreifend über verschiedene soziale Schichten und verschiedene Altersstufen zu arbeiten.“

Für ihn besteht ein Riesenunterschied zwischen Kinder- und Jugendtheater: „Beim Kindertheater baut man durch Geschichten die Kinder mit positiven Dingen auf. Man muss Kinder stärken, muss ihnen Mut machen und dazu müssen Geschichten positiv ausgehen. Wie im Märchen eben. Und es gibt noch nicht die Notwendigkeit, Dinge zu diskutieren. Das ist eine Sache von Jugendtheater. Da wir fachübergreifend Kinder und Jugendliche haben, müssen wir für unsere Jugendlichen Themen finden, die für die Kinder passen, aber trotzdem nicht so langweilig sind für sie. Und umgekehrt.“

Corona war ein Break für alle, doch danach geht es weiter bei König und te Reh. Das neue Musical-Projekt ist die kleine Hexe nach der Vorlage von Otfried Preußler dem großen Geschichtenerzähler. Zu dem Stück sind die zwei Kreativen auf einem originellen Umweg gestoßen.

Nach dem „Sommernachtstraum“ nach Shakespeare, einem abendfüllenden Stück aus 2022, das überwiegend mit Jugendlichen oder auch Erwachsenen arbeitete, hatten sie überlegt, das Sujet „Ronja Räubertochter“ anzugehen. Man fragte beim Oettinger Verlag an und wurde abschlägig beschieden. Doch der zuständige Redakteur hatte sich mit Königs Musik und mit dem, was er und te Reh machten, auseinandergesetzt und fragte, ob man nicht Lust hätte, „Die kleine Hexe“ zu machen. Sie wollten gerne eine Schulfassung verlegen, die mit jungen Kindern und Jugendlichen funktioniert und nicht zu abgehoben ist.

Während der Coronazeit war König gezwungen, mehr im Studio zu arbeiten, seit dieser Zeit produziert er seine Musicals nicht mehr nur mit Notenmaterial und Stimmen, sondern auch als Playback. Das eröffnet vor allem allgemeinbildenden Schulen ganz neue Möglichkeiten, im Rahmen des Unterrichts Musical zu machen.

Die Uraufführung der „Kleinen Hexe“ sollte man sich jetzt schon in den Kalender schreiben: 29. September 2024 im Stadttheater Lippstadt. An diesem Haus mit seiner Technik und Ressourcen, die über die Möglichkeiten der Stadthalle weit hinausgehen, kommt auch dieses Musical für Kleine sicherlich groß raus.

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