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Moritz Eggerts Fussballoratorium in Basel. Es dirigiert Tutus Engel. Foto: © Zlatko Micic

Moritz Eggerts Fussballoratorium in Basel. Es dirigiert Tutus Engel. Foto: © Zlatko Micic

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Moritz Eggerts „Der 7. Himmel – ein Fußballoratorium für Basel“ uraufgeführt

Vorspann / Teaser

„Ole Ole, FCB“, schallt es durch das Foyer. „Let’s go Basel, let’s go“, brüllt eine Horde Fußballfans in Blau-Rot mit Bierdosen in der Hand zwischen Stehtischen und Samtwänden. Eine verspätete Meisterfeier des FC Basel im gediegenen Stadtcasino? Das 5. Abokonzert der Basel Sinfonietta sorgt jedenfalls schon vor Beginn für ein spezielles Setting und erstaunte Blicke.

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Im Saal selbst haben sich die vermeintlichen Fußballfans auf der Empore oberhalb der Bühne postiert und setzen ihre Sprechschöre und Gesänge fort. Der Chor und der Extrachor das Theaters Basel geben alles, um das Publikum auf das besondere Konzert vorzubereiten. Moritz Eggerts „Der 7. Himmel – ein Fußballoratorium für Basel“ steht auf dem Programm, das im Vorfeld der in der Schweiz stattfinden Fußballeuropameisterschaft der Frauen (2.-27.7.) lanciert wurde. Das Werk basiert auf „Die Tiefe des Raumes“ (Libretto: Michael Klaus), das der deutsche Komponist im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft der Männer 2006 geschrieben hatte, und wurde textlich (Wolfgang Bortlik) und musikalisch auf die Basler Verhältnisse angepasst.

In Anspielung auf die Basler Fastnacht sind mehr Piccoloflöten und Trommeln zu hören. Auch die Schweizer Nationalhymne wurde von Eggert in der Partitur versteckt. Durch die Besetzung der Sprechpartien mit der Reporter-Legende Beni Thurnheer, mit dem Ex-Profi und SRF-Fußball-Experten Beni Huggel und der Trainerin Danique Stein ist für Prominenz gesorgt. Dennoch bleiben viele Plätze leer. Auch die Stimmung überträgt sich nur bedingt auf das Publikum – das Stadtcasino ist halt nicht das Joggeli, das emotionsgeladene Stadion des 1893 gegründeten FC Basel. Aber die szenische Einrichtung von Tilman aus dem Siepen mit Livekamera und Großbildleinwand, mit den in FCB-Trikots und kurzen Hosen auftretenden Solisten, die sich erst einmal warmmachen, und mit Dirigent Titus Engel im neongelben Schiri-Dress vermittelt durchaus Fußballnähe. Ein fiktives Spiel zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich ist der Zeitrahmen des in zwei Halbzeiten à 45 Minuten (plus Nachspielzeit) aufgeteilten Oratoriums. Im Mittelpunkt steht ein Spieler (Paul Curievici mit strahlkräftigem, in der Höhe etwas angestrengtem Tenor), der im Spannungsfeld steht zwischen der Tugend (großartig: Chelsea Zurflüh) und dem Laster (präsent mit dunkler Tiefe: Annette Schönmüller). Auch der Bariton Matthias Störmer als Journalist kann kantable Akzente setzen.

Eggerts Oratorium ist kurzweilig und stilistisch vielfältig. Es trägt immer wieder operettenhafte Züge und erreicht einen ersten klanglichen Höhepunkt, als das erste Tor beziehungsweise Goal fällt – leider gegen die Gastgeber. Eggert sieht Fußball als Ersatzreligion: mit Ritualen, Klagegesängen und Dankgebeten. Der Fußballgott ist nicht weit. Deshalb Oratorium, deshalb Solisten und Chor, deshalb viel Pathos, aber auch Ironie, wenn er den hohen musikalischen Ton mit Sätzen wie „Aber der Schiri lässt Vorteil laufen“ oder „wie die wieder gurken“ kombiniert. Unterlegt von einem Streicherteppich wird die Hymne „Du Ball Du Runder“ von Chelseah Zurflüh mit ihrem schwerelosen Sopran in die Höhe geschickt, ehe die Trainerin (souverän: Danique Stein) mit ihrer emotionalen Ansprache hineingrätscht. Dirigent Titus Engel gibt jeden einzelnen Gesangs- und Sprecheinsatz, behält in den rhythmisch komplexeren Passagen die Übersicht und führt die Basel Sinfonietta und die vierköpfige Continuogruppe mit Akkordeon (Nejc Crm), Cello (Ekachai Maskulrat), E-Bass (Ruben Mattia Santorsa) und Cembalo (Helga Váradi) sicher durch alle Phasen des Spiels. Die Kapitänsbinde trägt Konzertmeisterin Simone Zgraggen. Ihr virtuoses Solo erinnert an ein blitzsauberes Dribbling mit Zug zum Tor. Und auch Beni Huggel und Beni Thurnheer sprechen sich im Laufe des Spiels, immer konzentriert auf den Dirigenten schauend, frei.

Wie fast jedes Fußballspiel hat auch Moritz Eggerts Oratorium ein paar Längen. Die Passagen mit dem Chor der schwangeren Frauen („Was ist Pressen gegen Pressing?“) und die „merkwürdige Geschichte“ von Pier Paolo Pasolini sind musikalisch und dramaturgisch verzichtbar. Manchmal wünscht man sich noch bessere Übergänge zwischen den einzelnen Teilen wie im Stadion, wo ein Grundrauschen alles miteinander verbindet. Aber der polyphone Kapselriss-Sehnenriss-Chor, eine aus der ersten Fassung stammende, umgedichtete „Flasche leer“-Arie (hier „Kei Kritik“ nach der Kabinenansprache von Basel-Trainer Christian Gross im UI-Cup-Finale 2001) und ein schön pathetisches Finale mit dem bejubelten 3:2 Siegtreffer stimmen versöhnlich. Denn: „Fussball, das isch unser Läbe“.

  • Weitere Aufführung am 27. Mai 2025, 19 Uhr, Stadtcasino Basel 
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