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DIE WEISSE ROSE: (v.l.n.r.) Sanggyun Ha (Christoph Probst), Jonathan Koch (Schmorell), Alexander Rampp (Professor Huber), Hanna Park (Sophie Scholl), Nico Lindheimer (Hans Scholl), Felix Kober (Willi Graf), Meiling Daniell-Greenhalgh (Anette) / Foto: Stephan Floss
DIE WEISSE ROSE: (v.l.n.r.) Sanggyun Ha (Christoph Probst), Jonathan Koch (Schmorell), Alexander Rampp (Professor Huber), Hanna Park (Sophie Scholl), Nico Lindheimer (Hans Scholl), Felix Kober (Willi Graf), Meiling Daniell-Greenhalgh (Anette) / Foto: Stephan Floss
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„Nicht länger schweigen!“ – Udo Zimmermanns „Die weiße Rose“ an der Musikhochschule Dresden

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Die Kammeroper „Die weiße Rose“, Udo Zimmermanns Diplomarbeit von 1967, wurde von der Opernklasse der Musikhochschule reanimiert – und geriet beklemmend aktuell.

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Der Artikel macht den Unterschied: Die Kammeroper „Weiße Rose“ (ohne Artikel) gilt als meistgespieltes Stück Musiktheater des 20. Jahrhunderts, verfasst vom Dresdner Komponisten Udo Zimmermann (1943–2021). Dessen Stück „Die weiße Rose“ hingegen (eben mit Artikel!) ist gut zwei Jahrzehnte älter und war 1967 seine erfolgreiche Diplomarbeit nach seinem Kompositions- und Dirigierstudium an Dresdens Musikhochschule.

Just die aktuelle Jahresproduktion von deren Opernklasse – traditionsgemäß in einer Koproduktion mit der Hochschule für Bildende Künste und dem Staatsschauspiel Dresden – brachte Mitte April nun zum ersten Mal wieder die Uraufführungsfassung auf die Bühne. Fast eine Ausgrabung. Im Grunde genommen eine museale Meisterleistung. Aber eine mit beklemmend heutigen Bezügen.

Vielleicht war genau das ja Udo Zimmermanns Raffinesse: Widerstand gegen die unmenschlichen Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus als unterschwellige Anklage gegen die auf der einen Seite nicht verarbeiteten und auf der anderen Seite – wir reden von Ost und West bzw. von West und Ost – ignorierten Untaten zu formulieren. Dagegen vermochten keinerlei Zensoren etwas vorzubringen – und schon war auch christlicher Widerstand gesamtdeutsch salonfähig.

Geboren im Kriegsjahr 1943, demselben Jahr, in dem die Geschwister Scholl hingerichtet wurden, war Udo Zimmermann zur Zeit seiner Komposition dieser Oper genau in dem Alter, in dem das Leben Sophie Scholls beendet wurde. Beendet durch das Urteil des fanatischen Volksgerichtshofs-Präsidenten Roland Freisler (dessen Witwe in der Bundesrepublik noch jahrzehntelang Renten- und Ausgleichszahlungen erhielt). Wohl auch deswegen ist dieser Stoff dem jungen Komponisten persönlich so wichtig geworden.

„Widerstand – ehe es zu spät ist“

Wenn nun „Die weiße Rose“ in ihrer Urfassung von Studierenden aufgeführt wird, die wiederum in einem ähnlichen Alter sind wie damals die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, erfährt die Umsetzung eine zusätzliche Evidenz und weckt möglicherweise die Frage, wie würden wir uns heute verhalten?

In der Regie von Susanne Knapp, Leiterin der Opernklasse an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber, agieren die sieben Solistinnen und Solisten in elf unterschiedlichen Rollen, ergänzt durch einen elfköpfigen Chor, in einem interpretatorisch deutbaren Spagat zwischen historisch und heutig. Die von vier Studentinnen der Hochschule für Bildende Künste entworfenen Kostüme reflektieren nur ansatzweise die Handlungszeit, lediglich das Bühnenbild von Isabel Techel und Marie Waltemode deutet beklemmend auf Krieg und Zerstörung hin. Gemalte Hausruinen, davor eine Horde Soldaten, die buchstäblich über Leichenberge geht und auch mal blutrot hinterleuchtet wird, aber auch große Blechcontainer, um die eine Gruppe jüdischer Häftlinge getrieben wird, brennen sich geradezu ein.

Solche Erfahrungen waren es, die bei Sophie und Hans Scholl sowie bei Christoph Probst und anderen den Gedanken an tätigen Widerstand weckten. „Nicht länger schweigen“ galt – und gilt auch heute! – als Postulat, wenn Menschen durch anderen Menschen Unrecht widerfahren soll.

Opernklasse und Hochschulorchester haben unter der musikalischen Leitung von Franz Brochhagen (und dank des im Hochschularchiv wieder aufgefundenen Aufführungsmaterials) ein wichtiges Stück Musiktheater in bestechender Klangqualität reanimiert. In besonderer Weise wurden stimmlicher Ausdruck und Textverständlichkeit beachtet. Zusätzlich zum Original erklangen fünf von der Koreanerin Ji-Young Yoo komponierte Chorinventionen, die Notizen, Briefe und Inhalte von Flugblättern der Widerstandsgruppe vertont hat. Aus dem Bühnenhimmel flatteren einzelne Aufrufe dann auch in Papierform auf die Szene und ins Publikum: „Widerstand – ehe es zu spät ist.“

  • Vorstellungen: 9., 12., 22.5., 1.6.2025
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