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Aaron Godfrey-Mayes, Aleksei Isaev, Elena Maximova, Alexander Roslavets, Gwyn Hughes Jones, Guanqun Yu, Chor der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Brinkhoff/Mögenburg.

Aaron Godfrey-Mayes, Aleksei Isaev, Elena Maximova, Alexander Roslavets, Gwyn Hughes Jones, Guanqun Yu, Chor der Hamburgischen Staatsoper. Foto: Brinkhoff/Mögenburg. 

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Psychohölle der Vergangenheit – Immo Karaman inszeniert in Hamburg Verdis „Il Trovatore“

Vorspann / Teaser

Eigentlich ist es ja so: Die Geschichte spielt um 1400 in Aragon und der Biskaya und wird hochgradig verworren erzählt in einer von Giuseppe Verdis erfolgreichsten Opern: „Il Trovatore“ (1853). So verworren, dass die meisten Regisseure ohnehin schon seit Langem praktizieren: welche Lösung auch immer, keine kann dazu taugen, die Geschichte plausibel zu erzählen. So jetzt auch durch der türkisch-deutschen Regisseur Immo Karaman an der Staatsoper Hamburg. 

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Karamans Geschichte spielt im spanischen Bürgerkrieg (Kostüme von Herbert Barz-Muraner) und die Tatsache einer herrschenden Aristokratie und der einer Gitana abstammenden „Unterschicht“ gibt es bei Karaman nicht. Ein Kloster, ein Schlachtfeld, ein Zigeunerlager sehen wir nicht, sondern Karaman lässt die Imaginationen in dem grauen, zerfallenen, aber mehr oder weniger auch undefinierbaren Endzeitschloss (Bühne: Alex Eales) spielen. Hier erleben wir die traumatischen Tragödien der Protagonisten: Azucena will ihre Mutter rächen, die auf einem Scheiterhaufen des Grafen Luna endete, ihr Sohn Manrico weiß nicht, wer er ist, Leonore liebt den Troubadour Manrico, wird aber brutalst begehrt vom Grafen Luna. Es sind Träume und Traumata, die uns hier mehr oder weniger unlogisch erscheinen und allen Raum dem Wunder von Verdis Musik lassen. 

Da überzeugte zunächst einmal die grandiose Chorleistung und die des Staatsorchesters unter der Leitung von Giampaolo Bisanti, der mit wuchtiger, immer vorwärtstreibender Präzision und wunderbaren Instrumentalleistungen aufwartete. Star des Abends war zweifellos die Azucena von Elena Maximova, die die Obsessionen und Sehnsüchte ihrer zerstörten Persönlichkeit mit einer berückenden Gesangsleistung verbinden konnte. Guanqun Yu als Leonore verzauberte mit einem glockenhellen Sopran, Aleksei Isaev entfaltete nach eher undifferenziertem Anfang seine prachtvollen Stimmpotenzen als Ausdruck seiner Brutalität. Zu welcher Rechthaberei sich viele der Zuschauer:innen für die Leistung des Tenors Gwyn Hughes Jones entschlossen haben, ist mir unverständlich. Okay, er war ein wenig indisponiert, aber der Zorn tobte wohl eher wegen des fehlenden hohen C, das Verdi gar nicht geschrieben hat. Ohnehin ging der Protest in eindeutigem Schlussbeifall unter.

Buhs erntete aber auch der Regisseur, der eine Vergewaltigung einer Bediensteten durch den Grafen Luna zeigte. Das hatte nun in keiner Weise eine Aussagekraft, dass es so unvermittelt in einem weitgehend trägen Geschehen passierte. Karamans Bilder stehen oft, sind meist Zeitlupe, Feuer – im Kinderwagen, an einer brennenden Sängerin, ein verbrennender Tisch, der Treppenaufgang und vieles mehr – alles brennt. Die an sich überzeugende Idee der Inszenierung, jenseits jeglicher realistischen Geschichte von unterschiedlichen Traumata zu erzählen, die Psychohölle einer Vergangenheit zu zeigen, kam viel zu unausgegoren; am Anfang sogar in völlig überholten alten Opernbildern, in die sich Halluzinationen und Albträume mischten: der weiße Geist von Azucenas Mutter, eine hereinstürmende Zirkuskapelle und vieles mehr. Der zweite Teil gelang dann viel anrührender und führte zu dem letztendlichen Erfolg der Aufführung: das Muttersöhnchen Manrico zwischen zwei Frauen, die unfassbare Einsamkeit der Azucena, der es bei ihrer Besessenheit, den Flammentod der Mutter am Grafen Luna zu rächen, wohl eher darum geht, ihren Sohn regelrecht zu krallen. Dann der Suizid der Leonore und der Selbstmord des Luna, der bei Verdi nicht steht. Als Fazit blieb, das utopische Potenzial der scheiternden Menschen zeigte sich eher in der Musik mit ihren irrealen Formen und Klangfarben.

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