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Rheingold in Aldersbach: Karsten Mewes als Alberich. Foto: Juan Martin Koch
Rheingold in Aldersbach: Karsten Mewes als Alberich. Foto: Juan Martin Koch
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Sakral-Triumph und Freiluft-Ernüchterung: Wagners „Rheingold“ beim Kulturwald in Aldersbach

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Vom idealen Aufführungsort für seine Opern hatte Richard Wagner sehr genaue Vorstellungen. Das Bayreuther Festspielhaus legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab. Hätten die beiden Aldersbacher „Rheingold“-Aufführungen – zunächst in der Klosterkirche, dann auf der Freilichtbühne – ihm hier ganz neue Perspektiven eröffnet, hätte er sie denn erleben können? Im ersten Fall vielleicht, im zweiten wohl eher nicht.

Thomas E. Bauer, dem Sänger und unermüdlichen Kulturimpresario, scheint eigentlich immer alles zu gelingen. Das 2008 ins Leben gerufene Kulturwald-Festival, das 2014 eröffnete Konzerthaus in Blaibach – das sind zwei der mit seinem Namen verknüpften Erfolgsgeschichten. An seinem meteorologischen Einflussbereich muss er freilich noch arbeiten und so fiel die Premiere seines jüngsten Großprojekts, die Freiluftproduktion von Wagners „Rheingold“, der launischen Sommerwitterung zum Opfer.

Die als Notlösung angesetzte Aufführung in der Aldersbacher Asamkirche erwies sich dann jedoch in mancherlei Hinsicht als Glücksfall. Denn so wenig Wagners Orchester auf einen solchen Sakralraum abgestimmt sein mag – es tönt dort ganz famos. Der mächtige, das Blech gegenüber den Holzbläsern bevorzugende Mischklang wird von den hohen Streichern irisierend überwölbt und bringt die gold-barocke Farbenfülle förmlich zum Schwingen. Hätte Andreas Spering mit dem jungen Krakauer Beethoven Academy Orchestra in den Verwandlungsmusiken der Überakustik im Tempo noch etwas nachgegeben, die Wirkung wäre noch überwältigender gewesen.

Dennoch hatte das Sängerensemble keinerlei Probleme, sich gegen diese instrumentale, von Spering dynamisch fein abgestufte Prachtentfaltung durchzusetzen, und war von einigen Positionen aus auch textlich gut zu verstehen. Hier bewährte sich Thomas Bauers Entscheidung, überwiegend lyrische, in Lied- und Oratoriengesang geschulte Interpreten zu engagieren. Deren Stimmen schienen sich, vom Orchester getragen, scheinbar mühelos im Raum zu verströmen, allen voran Markus Schäfer als Loge. Was dieser an Prägnanz der Diktion und Spielwitz bei gleichzeitig präziser und betörend schöner Gestaltung der Melodiebögen leistete, ergab ein nicht anders als sensationell zu bezeichendes Rollenporträt.

Auf demselben schwindelerregenden Niveau ermahnte und umgarnte die Fricka Marianne Beate Kiellands mit balsamischem Timbre ihren Göttergatten Wotan, dem Thomas Bauer mit großer Routine und einer gewissen Anspannung vokale Statur verlieh. Ihr „Wehe!“, mit dem sie den Verlust der Schwester Freia (ausgezeichnet: Marie-Luise Dreßen) und ihrer verjüngenden Früchte beklagte, war in Kombination mit dem fahl in sich zusammensinkenden Orchester ein magischer Moment der Zurücknahme.

Szenisch musste dabei nicht mehr passieren, als dass die Götter vor den vorderen, frei gehaltenen Kirchenbänken müde Platz nahmen. Auch sonst reichten – die Kenntnis der Handlung vorausgesetzt – wenige Andeutungen, um diese dramatisch wirksam werden zu lassen. Violett leuchtete Walhall, giftgrün der vom erfahrenen Wagnerrecken Karsten Mewes unerbittlich ins Kirchenschiff geschleuderte Ringfluch Alberichs. Veritable Theatercoups und klangliche Sternstunden gelangen mit Erdas Warnung, die Ann-Katrin Naidu mit beklemmender Intensität von der Kanzel herab aussprach, und mit den finalen Klagerufen der Rheintöchter: Mit unwirklicher Präsenz tönte von einer seitlichen Empore im Altarraum her das wunderbar wohlklingende, vollkommen homogene Trio mit Andrea Brown, Sabine Noack und Anne Hartmann.

Dieser unvermutete Wagner-Sakral-Triumph machte einen dann doch neugierig und gerne verlängerte man den Aufenthalt in der durch die Landesausstellung geadelten niederbayerischen Kloster- und Bieridylle, um tags darauf die Open-Air-Tauglichkeit der ambitionierten Unternehmung zu begutachten. Hier stellte sich dann allerdings eine gewisse Ernüchterung ein. Dass der selbstbewusst als „Seebühne“ bezeichnete Aufführungsort von eher intimen Ausmaßen ist, musste dabei kein Nachteil sein, doch war das Orchester hinter dem überschaubaren Teich breit auseinandergezogen auf der eigentlichen Bühne postiert.

Akustisch ergab sich dadurch über weite Strecken ein unvorteilhaft in seine Einzelteile zerfallender Klang, bei dem jede rhythmische Unschärfe, jede der mit zunehmender Spieldauer sich häufenden kleineren und größeren Pannen hörbar wurde. Davon meist komplett separiert, agierten die Sänger im Wasser, auf einem kleinen Steg, unmittelbar vor der ersten Zuschauerreihe oder direkt aus dem Publikum heraus. So verstand man jedes Wort, und die dem „Rheingold“ eingeschriebene Tendenz zum dialogorientierten Kammertheater kam wunderbar zum Tragen. Gleichzeitig mutierte das Stück aber auch zu einer Art überdimensioniertem Singspiel, eine Tendenz, die durch die bewusste Entscheidung für eine „szenische Installation“ an Stelle einer echten Regie nicht gemildert wurde.

Die erschöpfte sich dann in Oberflächengags wie dem auf einem Motorrad aus Walhall verschwindenden Alberich oder den auf Hebebühnen auftauchenden, aus der Ferne wenig vokale Wucht erzeugenden Riesen Fafner (Taras Konoshchenko) und Fasolt (Christian Hübner). Bei Letzterem hatte in der Kirche die schiere Präsenz seiner Körpergröße mehr Effekt gemacht.

Weitgehend wirkungslos verpuffte aber vor allem das Licht- und Projektionskonzept des Medienkünstlers Lillevan. Die schemenhaft auf der Gebäudefassade erkennbaren Elemente (Arbeiter in Nibelheim, der Ring, der sich verwandelnde Alberich, der finale Regenbogen) waren optisch wenig eindrücklich, die Farbdramaturgie kam viel weniger klar zum Tragen als tags zuvor. Da das Verfolgen der Darsteller mit Scheinwerfern nicht so recht klappen wollte, fehlte überdies eine klare optische Fokussierung.

Je nach Entfernung zu den Sängern in unterschiedlicher Intensität, war aber auch unter freiem Himmel das grandiose vokale Niveau zu genießen, das eigentlich nur ein Fazit nahelegt: Thomas Bauer hat für den Kulturwald ein ganz besonderes Opernensemble mit Zukunftspotenzial zusammengebracht, das hoffentlich – in welcher szenisch-räumlichen Konstellation auch immer – noch von sich hören machen wird.

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