Eines direkt vorneweg: es ist keine Schande, wenn man die Handlung dieser Oper nicht komplett versteht. Die ist ebenso wirr wie kryptisch und im wahrsten Sinne des Wortes phantastisch. Zu Beginn von Anno Schreiers Oper „Die Blaue Sau“ muss man sich erst Mal orientieren, so abrupt wird man förmlich in die Ereignisse geschmissen.

Chor des Theater Bonn, Charlotte Quadt. © Bettina Stöß
Schräg, schrill, komisch – „Die blaue Sau“ von Anno Schreier in Bonn uraufgeführt
Selbige sind zudem äußerst komplex und verworren: Es geht um das Schwebeland, in dem die Welt scheinbar noch in Ordnung ist. Vier Bösewichte wollen jedoch die titelgebende Blaue Sau entführen, was naturgemäß ein wenig Unruhe in die Idylle bringt. Da tummeln sich dann so skurrile Gestalten wie ein Dumpfflammator (Ralf Rachbauer) oder ein Robomat (Juhwan Cho), es gibt einen Anhalter (Mark Morouse), der nicht etwa eine Mitfahrgelegenheit sucht, sondern die Zeit anhält, oder einen Käpt’n Flughörnchen (Rinnat Moriah).
Das klingt schon mal lustig und ist es zweifelsohne auch, zumal Anno Schreiers flotte Musik ebenso virtuos wie lustvoll ist und sich Querbeet durch die Musikgeschichte zitiert. Der von Mark Morouse mit herrlicher Ironie gesungene Anhalter etwa trällert in schönstem Neobarock, stilecht mit zirpendem Eierschneider (aka Cembalo) nebst Basso continuo aus dem Orchestergraben begleitet. Auch die Heldin der gut 75-minütigen Oper bedient sich in der Operngeschichte. Katerina von Bennigsen schwebt als Hannah wie die Königin der Nacht aus dem Himmel ein und singt auch so virtuos und lupenrein wie ebenjene. Das ist ein großer Spaß, so dass man insgesamt gerne über die ebenso flotte, aber auch sehr sprunghafte Handlung des von Jürgen R. Weber stammenden Librettos hinwegsieht.

Statisterie des Theater Bonn, Romina Boscolo, Juhwan Cho, Rinnat Moriah, Ralf Rachbauer. Foto: © Bettina Stöß
Dies zumal auch das übrige Ensemble die überbordende Spiellaune und den schrägen Humor der Geschichte bestens transportiert. So singen und spielen Charlotte Quadt als Aziza, Carl Rumstadt als Natan oder Romina Boscolo als Giganta ihre Partien ganz ausgezeichnet. Vor besonderen Herausforderungen stehen auch die Statisterie und der von André Kellinghaus einstudierte Chor des Theaters Bonn. Schon zu Beginn muss sich letzterer durch rhythmisch wirklich frickelige Passagen kämpfen, was er im Übrigen auch ausgezeichnet tut. Hier schlummert auch manche Herausforderung für das Beethoven Orchester Bonn und für Mareike Jörling, die Musik und Szene souverän zusammenhält.
Insgesamt bringt Regisseurin Yaroslavia Kalesidis eine unterhaltsame Familienoper auf die von Ansgar Baradoy mit kräftigen Farbakzenten und Anklängen an die Comic-Ästhetik gestaltete Bühne. Dazu passen die phantasievollen und bunten Kostüme von Sven Bindseil ebenso wie witzige Videoprojektionen von Gretchen Fan Weber. Ein großer Spaß ist Anno Schreiers „Die Blaue Sau“ also allemal, auch wenn das titelgebende knallbunte Viech nur als Videoprojektion auftaucht. Sei’s drum, auch das ist ein saukomischer Einfall.
- Share by mail
Share on