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Stafettenlauf mit Mozarts Märchen-Zirkus-Oper

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Peter Ruzickas erste Pläne für die Salzburger Festspiele 2002 ·
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Der neue künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, ist noch nicht im Amt, da muss er schon um „sein” Budget kämpfen. Um zwei oder drei Prozent wollen Bund, Land und Stadt Salzburg ihre Zuschüsse kürzen. Sind dadurch die Festspiele mit ihrem etwa Neunzig-Millionen-Mark-Etat in Gefahr? Das sicher nicht. Aber Kürzungen bei der Kunst treffen in der Regel den Bereich, der eigentlich der wichtigste ist: die Herstellung von Kunst. Ruzicka deutete schon mit der ihm eigenen Zurückhaltung Grenzen der Zumutbarkeit an. Sollte er nicht vielleicht etwas von der lauten Courage seines noch amtierenden Vorgängers Gerard Mortier übernehmen und ebenso laut protestieren? Eine Frage des Takts und des persönlichen Temperaments, aber Politiker hören leider immer weniger auf leise Töne.

Der neue künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, ist noch nicht im Amt, da muss er schon um „sein” Budget kämpfen. Um zwei oder drei Prozent wollen Bund, Land und Stadt Salzburg ihre Zuschüsse kürzen. Sind dadurch die Festspiele mit ihrem etwa Neunzig-Millionen-Mark-Etat in Gefahr? Das sicher nicht. Aber Kürzungen bei der Kunst treffen in der Regel den Bereich, der eigentlich der wichtigste ist: die Herstellung von Kunst. Ruzicka deutete schon mit der ihm eigenen Zurückhaltung Grenzen der Zumutbarkeit an. Sollte er nicht vielleicht etwas von der lauten Courage seines noch amtierenden Vorgängers Gerard Mortier übernehmen und ebenso laut protestieren? Eine Frage des Takts und des persönlichen Temperaments, aber Politiker hören leider immer weniger auf leise Töne.Dabei hat Ruzicka, haben die Salzburger Festspiele alle guten Argumente für sich: Sie bringen 75 Prozent ihres Etats selber auf, die öffentlichen Hände von Staat, Land und Stadt gleichen den Rest aus. Dafür erhalten sie von den Angestellten und Zuarbeitern der Festspiele schon so viel an Personalsteuern, dass sich der Zuschuss fast ausgleicht. Bedenkt man dann noch, was die Festspielbesucher via Gastronomie, Hotellerie, Geschäftsleben in die Staatskassen spülen, dann gerät die Knauserigkeit gegenüber den Festspielen zur Groteske und zum kulturpolitischen Skandal – und nachträglich auch zur Rechtfertigung für manchen verbalen Ausfall Gerard Mortiers in der Vergangenheit. Man möchte Peter Ruzicka den Rat geben, von Anfang an das Primat der künstlerischen Inhalte zu konstatieren, auch wenn er – ebenso wie Mortier – nicht in der Lage sein wird, die Leitungsstrukturen der Festspiele mit einem Dreierdirektorium und einem im Hintergrund energisch wirkenden Kuratorium zu ändern. Hoffnungsfroh stimmt einen dabei nur, dass mit dem Bankier Heinrich Wiesmüller ein kunstsinniger, Festspiel-erfahrener (er war in den ersten Mortier-Jahren als Präsident im Festspieldirektorium) Mann neu ins Kuratorium eingetreten ist. Wiesmüllers Wort wird im Gremium Gewicht haben, und im Zweifel wird er das Gewicht seiner Stimme auf die Schale der Kunst legen.

Diese Fakten und Fragen sind deshalb nicht unwesentlich, weil das künstlerische Profil der Salzburger Festspiele unmittelbar von den finanziellen und organisatorischen Strukturen abhängt. Dabei sollte man die organisatorische Seite der Festspiele wiederum nicht allzu destruktiv bewerten. Das Kuratorium entschied sich in der Vergangenheit in der Regel auch für die Kunst, allerdings scheint sich wegen der neuen politischen Konstellation im Lande (die Haider-Partei sitzt in der Regierung und damit auch im Kuratorium) das Klima in der Festspiel-Aufsicht verändert zu haben. Dass man Mortiers Abschiedswunsch nach einer Aufführung von Lachenmanns „Mädchen mit den Schwefelhölzern” (in Kooperation mit der Stuttgarter Oper) im Kuratorium abschlug, sollte auch Peter Ruzicka zu denken geben.

Vielleicht hat es sich im Lande Österreich, in Wien und Salzburg und im Kuratorium noch nicht so recht herumgesprochen, dass die Salzburger Festspiele mit der Ära Mortier/Landesmann eine andere Dimension gewonnen haben: Diese definiert sich nicht nur künstlerisch, sondern auch kulturpolitisch. Wenn ein Festspiel, das sich in früheren (Karajan-)Zeiten vorwiegend luxuriös und gesellschaftlich elitär präsentierte, sich so entschieden der Kunst und Musik des 20. Jahrhunderts öffnet, diese zum integrativen Bestandteil der Programmgestaltung erhebt wie bei Mortier und Landesmann, dann wirkt das Beispiel weit über das festliche Sommerereignis hinaus, wird zum kulturpolitischen Signal, zum Plädoyer für unsere historisch gewachsene Kultur, deren Kenntnis und Bedeutung im allgemeinen Bewusstsein immer mehr zu schwinden scheinen. Unter Mortier haben die Salzburger Festspiele über Österreich hinaus eine europäische Funktion übernommen: Sie verweisen ihre Besucher und vor allem die politischen Repräsentanten, die sich gern im Licht der Scheinwerfer beim Betreten der Festspielhäuser sonnen, auf die Notwendigkeit, sich dem Anspruch der Kunst zu stellen, die Fragen, die sie stellt, zu beantworten, das Beispiel, das sie vorgibt, mit nach Hause zu nehmen: In die eigene politische Arbeit „vor Ort” zu integrieren, aus Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen und deren Lebensqualität, zu der auch die emotionale Bildung gehört.

Mit der Entscheidung, Peter Ruzicka zum Nachfolger Gerard Mortiers zu bestellen, verband sich in den damit betrauten Wahlgremien zugleich der Wunsch, die eingeschlagene moderne Linie für die Festspiele fortzusetzen. Ruzicka ist als Komponist und Dirigent künstlerisch ausgewiesen, zugleich aber auch als Intendant einer großen, modern ausgerichteten Staats-oper (in Hamburg) sowie der ambitionierten Münchner Biennale für neues Musiktheater. Ruzickas erste Planungen für die Festspiele 2002 verraten Entschiedenheit und Augenmaß für das Machbare: Ein neuer „Don Giovanni“ mit Harnoncourt, Kusej (Regie) und den Wiener Philharmonikern läutet einen neuen Zyklus im Hinblick auf das Mozart-Jahr 2006 ein. Zemlinskys „König Kandaules“ (Kent Nagano/Robert Carsen), Puccinis „Turandot“ (mit einem neuen Finale von Berio) und „Die Liebe der Danae“ von Strauss sind weitere Titel. Und die Wiederaufnahme der „Zauberflöte“ in der Inszenierung Achim Freyers mag für Ruzicka eine besondere Bedeutung besitzen: Freyers „Zauberflöte im Zirkus“ begleitete schon Ruzickas Hamburger Intendanz, wurde in veränderter Form auch in Salzburg in den Messehallen zum Erfolg und kehrt nun im ersten Ruzicka-Jahr in die Felsenreitschule zurück. Wenn man diesen Stafettenlauf als Symbol nehmen darf, wäre es ein gutes Zeichen für Kontinuität.

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