„Zu den 50 hat es nicht mehr gereicht!“ Der polnische Komponisten Krzysztof Meyer klingt zugleich ein wenig bedauernd und erleichtert. „Ich bin aber auch froh, dass ich endlich frei bin“, schiebt der 74-Jährige mit deutlichem Nachdruck nach, „48 Jahre in der Lehre und pädagogischen Arbeit sind wirklich genug.“
Drei Jahrzehnte war Meyer Professor an der Hochschule für Musik in Köln. Nach seiner Emeritierung nahm er noch einmal einen Lehrauftrag in Krakau an, wo er bereits von 1975 bis 1987 den Lehrstuhl für Musiktheorie innehatte. Zu seinen Werken zählen Solo- und Orchesterwerke, oft zu programmatischen Themen, Vokalmusik und vor allem Kammermusik. Es ist seine Lieblingsgattung, wie er in einem kurzen Interview anlässlich der Aufführung zweier Stücke für Cello und Klavier in Regensburg unterstrich. „Meine ersten musikalischen Eindrücke bei Hauskonzerten meiner Großmutter war Kammermusik von Mozart, Beethoven, Schumann, Schubert, Brahms undsoweiter. Das hat mich so stark geprägt, dass sie bis heute mein Lieblingsgebiet geblieben ist.“
Später war er mit „vielen hervorragenden Interpreten befreundet, wie David Geringas, Heinrich Schiff oder dem Altenberg Trio aus Wien“, die seine Stücke spielen wollten und sie ins Repertoire aufgenommen haben. Zudem habe er das Glück gehabt, seine Werke „seit vielen Jahren als Auftragskompositionen schreiben“ zu können, weil es Orchester und Rundfunksender gebe, die „meine Musik spielen möchten“. Seine ersten Stücke, die heute noch gespielt werden, hat Meyer Anfang der 60er Jahre geschrieben. Heute, betont er, klinge seine Musik natürlich anders. War anfänglich noch Dimitri Schostakowitsch ein Einfluss, mit dem er später befreundet war und über den er eine viel beachtete Biografie geschrieben hat, fühlte er sich der polnischen Avantgarde um Krzysztof Penderecki, Witold Lutosławski und Henryk Mikołaj Górecki nahestehend. Mit den Veränderungen im „damaligen polnischen Musikgeschehen“ sei er immer gewachsen und entwickele sich bis heute weiter, weil „auch die Kunst verändert sich“. Die Frage, ob seine Musik heute noch als Erzählung funktioniere, beantwortete er leidenschaftlich: „Heute mehr noch, als früher.“ In seinen Sinfonien sehe er „nicht nur eine bestimmte Form, sondern etwas mehr (…), wie Gustav Mahler sagte, ,eine Sinfonie ist eine Weltanschauung.' Für mich gilt das auch!“ Heutige Entwicklungen mit elektronischen Medien und Mitteln beobachtet er sehr aufmerksam, auch wenn es in seinem Schaffen „keinen so Raum einnimmt“. Er sieht diese Medien als wichtige Mittel, „um neue Musik zu schaffen“, denn es öffne viele Möglichkeiten. Wenn er von ehemaligen Studenten heute Musik höre, stelle er befriedigt fest, „dass alle etwas Neues zu sagen versuchen – und das ist das Wichtigste!“ Er habe als Schüler bei Nadia Boulanger gelernt „wie kann man Musik empfinden, wie sie erleben, wie kann man sie einfach auch spielen. Das ist unabhängig von der Epoche, dem Stil oder der Richtung, es ist sozusagen überdimensional.“
Beim ersten Sonatenabend des Theater Regensburgs standen Meyers Stück „3 mal 4“ und die Sonate für Violoncello und Klavier (op. 62) neben Beethovens Variationen über Mozarts „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ und einer Reihe kurzer Filmmusikstücke von Schostakowitsch auf dem Programm. Die Cellistin Joanna Sachryn und Paul Rivinius am Kurzflügel gestalteten den Abend im voll besetzten Foyer des Neuhaussaales mit großer Intensität und leidenschaftlichem Ausdruck. Das rational erscheinende „3 mal 4“ erwies sich als ein wenig verführerisches, klangwuchtiges Stück voller unerwarteter Wendungen und zupackendem Umgriff. Große Spannungsbögen zwischen einem gläsernen Effekt in den höchsten Lagen des Klaviers und dumpf polternden Akkorden im tiefsten Bereich kennzeichnen den leicht dämonisch wirkenden Eindruck, den die Sonate hinterließ. Starke Kontraste zwischen zart-nebligen Klangschleiern und kraftvoller Hatz über die Saiten, durchbrochen von Pizzicatoläufen, kennzeichnen auch Sachryns eindringliches Cellospiel. Das vorzügliche, nuancenreiche Zusammenspiel der beiden Künstler mit fein austarierten Dialogen bei Beethoven und entschiedenem Zugriff bei den zeitgenössischen Werken fand verdienten Widerhall im ausgelassenen Beifall des Publikums. Der galt hörbar auch dem Komponisten, der sich vor einem Wiegenlied als romantische Zugabe zu den Interpreten auf die Bühne gesellte.