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Roberta Valentini, Chris Murray. Foto: Jan-Pieter Fuhr
Roberta Valentini, Chris Murray. Foto: Jan-Pieter Fuhr
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Tönend bunte Bilder zur Stadtgeschichte – Uraufführung eines „Fugger“-Musicals in Augsburg

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Bremen hat seine klingenden Stadtmusikanten, Hameln seinen von Wilfried Hiller vertonten Rattenfänger. In Apolda und Rothenburg führen singende Nachtwächter durch abendliche Straßen. Da liegt es nahe, dass Augsburgs damaliger Weltstar Jakob Fugger auch die Bühne betritt – und um ihn abermals populär zu machen: in einem neuen Musical von Stephan Kanyar und Andreas Hillger.

Ist Kunst nicht die Gegenwelt? Muss sie nicht dem seit dem 16. Jahrhundert die Welt erobernden, gestaltenden, durchdringenden und derzeit sie auch belegbar aufbrauchenden Kapitalismus seine schick gestylte Maske herunterreißen? Muss sie nicht entlarven wie Dieter Fortes bitterböses Drama von 1970? Das müsste also dann ein Musical mit einem veritablen Anti-Helden sein – geht das?

Doch Augsburgs Theater will natürlich den neben Brecht größten Sohn der Stadt eher feiern, auch die Stadt selbst ein bisschen und vielleicht sogar via sommerlicher Unterhaltung beim ein oder anderen ein Nachdenken anstoßen. So heißt das Werk nicht einfach „Fugger“, sondern „Herz aus Gold“ – und das meint ja Ambivalentes.

Beide Autoren haben früh erkannt, dass ein Werk über doppelte Buchführung, gekaufte Kaiserwahlen, Risikoinvestitionen in Silberbergbau und religiösen Zinsstreit nicht recht zündet – was auch mit Kirchentonarten und Renaissance-Musik im Freien schwierig wäre. Aus den Fakten, dass der junge Jakob schon als 14jähriger für das Handelshaus in Venedig tätig war, dort etwa 14 Jahre blieb, zurückkehrte, aber erst als 40jähriger eine 18jährige heiratete und diese Ehe kinderlos blieb – daraus konstruierten die Autoren eine nicht belegbare Liebeshandlung, die die trocken sprechenden Geschäftsbücherspalten und kalt berechnenden Finanzschiebereien menschelnd beleben soll. Also feiert eröffnend die Stadtgesellschaft und Choreograph Ricardo Fernando führt einen Hauch der historischen, bis heute gepflegten „Geschlechtertänze“ vor. Jakob kehrt aus Italien heim; die Mutter will den Sohn verheiraten, also trifft der seine Jugendliebe Sibylla wieder – und ins Rendezvous platzt ihr Töchterlein „Sibylla jr.“ herein: „Sibylla sr.“ hat längst heiraten müssen… Später in der Handlung verkuppelt sie ihn mit ihrer jungen Tochter, worüber alle drei nicht so recht glücklich werden – und in einer an „Dallas-Denver“ oder „Desperate Housewives“ heranreichenden Streitgesangsnummer fliegen zwischen Mutter und Tochter die Fetzen – ein Höhepunkt des dramatisch oft etwas steril und dünnblütig wirkenden Abends.

Bühnenbild gewinnt

Die Konkurrenz mit den ebenfalls reichen Welsern wird gesprochen klar, nur vergibt Choreograph Fernando das zwischen Fugger und Welser als Rivalität getanzte Schachspiel völlig. Figuren wie Kaiser Maximilian, Martin Luther und der von Regisseur Holger Hauer selbst gegebene Welser wirkten zu kleinformatig. Roberta Valentini (Sibylla sr.) und Katharina Wollmann (Sibylla jr.) sahen zwar bildschön aus, sangen aber nur in der Mittellage gut. Chris Murray musste den Spagat meistern, als 28jähriger Jakob anfangs zu wirbeln und zwei Drittel des Abends als reifer, strippenziehender Stratege von Weltformat alle zu dominieren – was nur in Teilen gelang. Seine Songs „Nach oben“ und „Gefühle kann ich mir nicht leisten“ gestaltete er mit kernigem Bariton; sein Titel gebendes und wohl als Hit konzipiertes „Herz aus Gold“ servierte er mit Aplomb, doch als Ohrwurm nimmt man den Song nicht mit nach Hause. Komponist Stephan Kanyar hat für klassisches Symphonieorchester mit Band-Einsprengseln komponiert. Ein Hauch von Renaissance-Tanzrhythmen, viel fließender Sound, der aus nachdenklichen Rezitativteilen dann harmonisch-melodiös aufblüht, mal dramatisch knallt, Hochzeits- und Kaiser-Fanfaren tönen lässt – was GMD Domonkos Héja alles klingen ließ und von der Tontechnik gut ausgesteuert wurde.

Sieger das Abends war die baumumstandene Freilichtbühne im Abendlicht: Stadtmauer, Wehrgang, historisierende Fahnen, dazu die aus goldenen Florentiner Gulden „gestapelte“ zentrale Treppe und eine kleine Drehbühne mit mal Hausfront und mal Handelskontor vereinte Bühnenbildner Karel Spanhak „bild-schön“ und gut bespielbar. Augsburg hat ein Stück Stadtgeschichte in bunten, lebenden Bildern.

 

 

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