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Mitglieder des Kammerensembles Neue Musik Berlin. Foto: Hufner
Mitglieder des Kammerensembles Neue Musik Berlin. Foto: Hufner
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Vom Looping der Loops – Bernhard Langs „Differenz/Wiederholung 1.2“ bei „2 × hören“ im Konzerthaus Berlin

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Seit einiger Zeit wird im Konzerthaus Berlin mit einer Veranstaltungsreihe experimentiert bei der ein Werk der Neuen Musik zwei Mal zu Gehör gebracht wird. Vor dem zweiten Hören erläutert ein Moderator einige Aspekte des zuvor gehörten Musikstücks. Beim zweiten Hören können sich auf diese Weise gegebenenfalls die Stücke in neuer Beleuchtung erschließen. Am 9. Januar kam Bernhard Langs „Differenz/Wiederholung 1.2“ für Flöte, Tenorsaxophon und Klavier mit Musikern des Kammerensembles Neue Musik Berlin zur Aufführung.

Bernhard Langs Werkgruppe „Differenz/Wiederholung“ mag für eine solche Vorgehensweise überaus geeignet sein. Denn schon kompositionstechnisch arbeitet es mit Wiederholungen, die in der Regel häufiger als zwei Mal vorkommen. Lang wiederholt (loopt) in „Differenz/Wiederholung 1.2“ einzelne kürzere Patterns nach ausgewählten Prinzipien, so dass die Wiederholungen sehr wohl fast nie komplett identisch sind (eben different). Das Ganze geht über etwa 25 Minuten. Die Wiederholung des ganzen Stücks wird dabei selbst zur identischen Differenz. Die Noten sind die gleichen, aber die Aufführung ist es naturgemäß nicht. Eigentlich eine Banalität, dennoch wird man explizit, wenn die Fragen von Wiederholung und Differenz so sehr in den Vordergrund geschoben werden, auf das Phänomen gestoßen. Kürzere Patterns sind leichter zu merken, ein ganzes Stück stellt andere Anforderungen. 

Das maschinelle Vorgehen der Komposition auf der einen Seite erweist sich als unmaschinell im Ergebnis. Auch im Alltag gibt es solche Loops. Die komplette Fastfood-Industrie ist darauf aufgebaut, ebenso die Autoindustrie. Serienproduktion nennt man das. Nur steht dabei die Differenz dem angestrebten Ziel eher im Weg. Ein Hamburger der Marke 1 soll immer und überall gleich schmecken. Bei der Idee von „2 x hören“ wird sozusagen zwischen den gleichen Gegenstand Information gelegt, so dass beim zweiten Verzehr des Musikstücks dieses anders schmeckt. 

Natürlich ist es eine psychologisch-philosophische Binsenweisheit, dass man „nicht zwei Mal in den gleichen Fluss steigt“. Während aber die industrielle Wiederholung dieses Phänomen aushebeln möchte, wird es im ästhetischen Bereich produktiv genutzt. Das Stück ist bestenfalls beim zweiten Hören ein anderes. Die Frage ist nur, wird es dadurch besser verstanden, gehört?

Arno Lücker als Moderator der Veranstaltung hat zwischen die beiden Aufführungen eine gesamte Musikgeschichtsvorlesung gepackt, die das Thema Wiederholung als musikalisches Stil- und/oder Kompositionsmittel mit einigen Beispielen streift. Von Sufi-Musik über Chopin bis zu repetitiver Musik und zum Techno reicht das Spektrum. Erst danach ging er auf das Stück von Lang selbst ein. Dabei erklärte er es mit den Hinweisen, die Lang selbst zum Stück gegeben hat. Langs Bezüge zu Philosophie und Kunst und Langs Hinweise auf die hier angewandten Techniken von Wiederholungen. Mit Hilfe der Musiker konnte er dabei die zur Rede stehenden Techniken auch gleich darstellen. Man hört danach in der Tat präziser, was Lang in der jeweiligen Situation gerade macht. 

Nun gibt es spätestens seit Schönberg die Unterscheidung zwischen dem, „wie etwas gemacht“ ist und dem „was es ist“. Während „2 mal Hören“ in erster Linie auf die Technik der Komposition eingeht, bleibt das „Was“ und „Warum“ eher im Dunkeln. Natürlich kann man sich fragen, ob man das von einem Moderator wissen will, oder die Antwort auf diese Frage nicht besser nur allein vom Hörer beantwortet werden kann. 

Lücker versteht sich als einer, der die Hörer „führen“ will. Daher hält er auch am Prinzip der Frontalerklärung fest, was bei Lücker auch mit einer gewissen Selbstverliebtheit einhergeht –nicht jede Pointe sitzt. Der Rückkanal aus dem Publikum bleibt dabei nur Randerscheinung. Es ist kein Seminar sondern letztlich eine Vorlesung. 

Damit verbunden sei der Hinweis, dass Defizite in diesem Bereich gerne und vielfach durch ein einfaches Mittel auszugleichen ist. In Berlin finden beinahe täglich Meisterkurse statt, wenn man Glück hat auch zur Interpretation Neuer Musik. Da ergeben sich schon mal Möglichkeiten zur musikalischen Diskussion wie von selbst in engem Kontakt zwischen „Meister“, „Schüler“ und Publikum ohne dass dies zwangsläufig in interne Fachsimpelei münden muss. 

2 × hören - Veranstaltung im Konzerthaus from Martin Hufner on Vimeo.

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