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Die Walküre. II. Aufzug. Von links nach rechts: Alexandra Ionis (Siegrune), Dorothea Herbert (Helmwige), Margaret Plummer (Waltraute), Christa Mayer (Fricka), Brit-Tone Müllertz (Ortlinde), Noa Beinart (Rossweise), Catharine Woodward (Gerhilde), Statisterie der Bayreuther Festspiele. Foto: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Die Walküre. II. Aufzug. Von links nach rechts: Alexandra Ionis (Siegrune), Dorothea Herbert (Helmwige), Margaret Plummer (Waltraute), Christa Mayer (Fricka), Brit-Tone Müllertz (Ortlinde), Noa Beinart (Rossweise), Catharine Woodward (Gerhilde), Statisterie der Bayreuther Festspiele. Foto: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

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Wotan lässt sich scheiden … – Ringfortsetzung im Festspielhaus mit einer bejubelten „Walküre“

Vorspann / Teaser

Beim „Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind!“, mit dem sich Wotan von seiner Lieblingswalküre verabschiedet, will es der Bühnenbildzufall, dass man für Momente Simone Young in einem Spiegelbild bei der Arbeit im Graben sieht. Niemand käme wohl auf die Idee, ihr ein Lebe wohl zu wünschen. Sie ist in ihrem zweiten Jahr ein gefeierter Glücksfall für diesen Ring. Sie lässt die Walküren-Musik nicht nur fließen, sondern vermag es auch, betörend in lyrischen Momenten zu schwelgen.

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Young hat aber vor allem das Ganze im Blick, integriert das „Winterstürme wichen den Wonnemond“, den Walkürenritt oder Wotans Abschied mit Gefühl, dramatischem Witz und großer Geste, ohne daraus gleich Angebernummern zu machen, die sich vordrängeln. Nach dem allseits beliebten ersten Akt, bei dem viele Wagnerianer so gut wie textsicher sind und man bei Siegmund, Sieglinde und Hunding auch hier tatsächlich jedes Wort versteht, ist das in den folgenden beiden Akten zwar nicht so beispielhaft der Fall, aber das, was aus dem Graben kommt, versteht man aufs „Wort“, auf die Geste, aufs Gefühl.

Dazu kommt, dass allein schon die Nacharbeit bei der Personenführung durch Umbesetzungen erfrischend wirkt. Michael Spyres sorgt – wie schon im vorigen Jahr – für helles Siegmund-Vergnügen. Seine Wälserufe wirken endlos und vollkommen unangestrengt, das Charisma seiner Stimme ist verführerisch. Nach seinem Stolzing bei der Eröffnungspremiere ist er mit diesem Siegmund auf dem sicheren Weg zu einem Tenorliebling der Festspiele. Als Sieglinde neu an seiner Seite steigert sich Jennifer Holloway eindrucksvoll in die Rolle seiner tragischen Schwester und Geliebten. Bei Valentin Schwarz ist sie schon hochschwanger, wenn Siegmund in der Hausmeisterwohnung Hundings auftaucht. Als Hausherr ist jetzt Vitalij Kowaljow in jedem Ton und jeder Geste der finstere Muster-Macho. Da man in den Fieberfantasien Sieglindes mitbekommt, dass Wotan wohl nicht nur ihr Vater, sondern auch der ihres Kindes ist, wirkt die Liebe der Zwillinge, vor allem aber Siegmund, in gewisser Hinsicht unschuldiger als sonst.

Christa Mayer und Tomasz Konieczny als Fricka und Wotan sind vom ersten Jahr an die Säulen dieser „Walküre“ und das höchst überzeugende Paradebeispiel eines Ehepaares in der Krise. Das hochdramatisch eskalierende Ende ihrer Beziehung läuft hier auf Scheidung hinaus. In dem grandiosen Schlussbild ist Wotan völlig am Ende. Dass Freia (zwischen „Rheingold“ und „Walküre“) Selbstmord begangen hat und nun theatralisch betrauert wird, ist da noch der leichteste Schlag. Dass er Siegmund nicht beschützen kann, sondern der knallhart auf ihrer konservativen Version von Recht und Moral bestehenden Fricka nachgeben muss, trifft ihn tief. Noch vernichtender für ihn ist die Rebellion Brünnhildes. Weil sie sich wissend seiner Anweisung widersetzt und das tut, was er liebend gerne täte, nämlich Siegmund gegen Hunding zu verteidigen. Diesmal erschießt Wotan seinen Kronprinzen eigenhändig. Wegen ihrer Revolte muss er sich dann auch noch von Brünnhilde abwenden.

Nach all dem ist Wotan am Ende im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört. Tomasz Konieczny spielt diesen Wotan (nicht nur) im Finale höchst glaubwürdig. Mit unglaublichen vokalen Kraftreserven. Er kommt mit seinem Schicksal nur klar, weil er Fricka die Schuld für sein persönliches Desaster gibt. Hier fasziniert die Inszenierung mal nicht mit naturalistisch ausgeschmückter Aktion, sondern mit der Wucht, die klug platzierte Schlichtheit und doppelbödige Geste zu erzeugen vermögen: Eine undurchdringliche Wand trennt Wotan von Brünnhilde, sie ist verbannt und er vollkommen allein. Als Fricka triumphierend mit einem Servierwagen, einer Kerze (mehr Feuerzauber gibt es hier nicht und ist auch nicht nötig) auftaucht, will sie mit Wotan auf die Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung anstoßen. Er kippt ihr sein Weinglas vor die Füße und wirft seinen Ehering in ihrs, nimmt seinen (Wanderer-) Hut und geht in die eine Richtung, während sie beleidigt und ohne jedes Verstehen in die andere davon zieht.

Ungewöhnliche Bilder

In dieser „Walküre“ bleiben zwei weitere eher ungewöhnliche Bilder im Gedächtnis. Das eine sind die einschwebenden Nobelkinderzimmer von Siegmund und Sieglinde während ihres großen Duetts am Ende des ersten Aufzuges, die direkt Bezug aufs „Rheingold“ nehmen. Beim Walkürenritt demonstriert Schwarz ausführlich, dass er auch Humor hat – die Walküren in der Beauty-Klinik haben einigen Unterhaltungswert, weil diese knallbunten Damen vor allem mit dem Altern und für ihre vermeintliche Schönheit kämpfen. Dass Brünnhilde da von anderem Kaliber ist, versteht sich. In dieser Rolle ist Catherine Foster wieder ein darstellerisches und vokales Ereignis der Sonderklasse. Vom ersten Walkürenruf an. Sie setzt aber nicht nur auf ihre charismatische Vitalität, sondern fügt ihr erstaunlich verhalten schöne, geradezu lyrische Farben hinzu. Eine Sängerin, die besser wird und dabei jünger wirkt. Das gibt es auch nicht oft.

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