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Andrè Schuen (Guilelmo), Lena Belkina (Dorabella), Jennifer O'Loughlin (Fiordiligi), Dean Power (Ferrando). Foto: © Thomas Dashuber
Andrè Schuen (Guilelmo), Lena Belkina (Dorabella), Jennifer O'Loughlin (Fiordiligi), Dean Power (Ferrando). Foto: © Thomas Dashuber
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Zeitlos modernes Geschlechterspiel – Münchens Gärtnerplatztheater mit zupackender „Cosi fan tutte“

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Was wissen wir nicht alles über die Anziehung zwischen den Geschlechtern – von Ovid über Ariost zu den Rationalisten, über die Realisten zu Freud, aktueller „Partnerschaftsfachliteratur“ und heutigen Internet-Love-Börsen, weiter bis zum „Bunga-Bunga“ unserer Pseudo-Eliten. Da hätte Da Pontes Text allein, trotz überzeugend schöner Stellen, wenig Chancen – doch da gibt es eben die Musik dieses Wolfgang Amadeus Mozart …

Schon mit der hörbar enorm geprobten Ouvertüre machten das Orchester des Gärtnerplatztheaters und Dirigent Michael Brandstätter klar, dass es nicht um Rokoko-Tändeleien ging: zupackend, kantig, sauber in Einsatz und Pause, viel barock sprudelnde Lebenslust – und dann doch der träumerische Zauber von Intimität in einer Hölzbläserphrase, sanft von den Streichern fortgeführt, um dann wieder lautstark und quirlig vorwärts zu pulsieren. Mitsamt der deftigen Kesselpauke siedelte Brandstätter seinen Mozart bei den „Bäsle“-Briefen an, ohne Ferrandos „Un’aura amorosa“ oder Fiordiligis „Per pieta“ zu zerstören. Doch die musikalische Seite griff das handfest miese Faktum auf, dass da zwei militärisch sportive Jung-Machos mit einem lebenserfahrenen „Systemkenner“ eine hohe Geld-Wette über zwei lebenslustige, erotisch glühende Frauen eingehen – also „nix Rokoko-Späßchen“ im Rahmen des Cuvilliéstheaters …

Regisseur Olivier Tambosi hat parallel dazu von Bengt Gomér hinter einem schwarz gekachelten Bühnenrahmen einen weiß gekachelten Laborraum bauen lassen. Ein Zwischenvorhang mit zwei bühnengroßen, „privat“ wirkenden Porträtfotos von Fiordiligi und Dorabella ermöglichte beziehungsreiche Bezugnahme im textbezogenen Spiel, vor allem aber kleine Umbauten mit Kachelwürfeln und insgesamt flüssige Szenenabläufe. Carla Caminati kostümierte die Herren in einem stilisierten  „Adels-“ und „Uniform-Look“ es 18. und 19. Jahrhunderts, zu dem dann baumwollfarbener Burnus, Kaftan und alberner Schnurrbart „à la Turca“ kontrastierten. Die Damen wechselten reizvoll und kess zwischen Reifrock-Imitat und entsprechender Mieder-Unterwäsche bis zum protzig roten Brautkleid, dazu von weißer Allonge-Perücke zu „sündig roter Mähne“. Die vife „Arbeitskraft“ Despina hatte im mausgrauen Kleid aus dem Versandkatalog zu ackern – und sich im „aalglatten“, kreischend gelben Lack-Outfit als „Arzt“ und „Notar“ selbstbewusst was dazu zu verdienen. Tambosi erzählte mit diesen Figuren schnörkellos klar die sehr heutige Geschichte, dass wir – wie wissenschaftlich bewiesen – im Paarungsverhalten doch recht „instinktgebunden“, ja „tierisch“ agieren: dass Testosteron-Überschuss und andere Hormone, äußere weibliche Reize bis hin zu männlichem Schweiß auf Brust und Schulter eben „wirken“. Genau das zeigte Tambosi in gut gearbeiteter, oft amüsanter, mehrfach fein pointierter Personenregie – und genau mehr brauchte es nicht, um die Zeitlosigkeit von Mozart-Da Pontes Werk zu beweisen.

Auch wenn ein paar – premierenbedingte - Blechbläser-Töne, fehlende Sopran-Tiefe, zwei kleine Tenor-Höhenschwanker und wenige Bassbariton-Schrägtöne wieder einmal klar machten, dass Rezensenten eher die entspannte dritte Aufführung besuchen sollten (in der Einführungsmatinee hatte etwa der Tenor mit einem traumhaft ätherischen „Un’aura amorosa“ bezaubert): es standen sechs typengenaue Sängerdarsteller zwischen „fesch“, „schneidig“, „viril“, „weltgewandt souverän“, „bildschön“, „begehrenswert“, „verführerisch“ und „keck“ auf der Bühne – prompt war da keine unglaubwürdige Verkleidungsalbernheit zu erleben, sondern ein sehr realistisches „Wechsel das Bäumchen“-Gleichnis im theatralischen Labor. Deshalb: Gleichmäßig verteiltes Lob an Dean Power (Ferrando), Andrè Schuen (Guilelmo – in neuer, begründeter Schreibweise!), Ralf Lukas (Don Alfonso), ein begeistertes Zwinkern an Mária Celeng (Despina), eine tiefrote Rose an Lena Belkina (Dorabella) und ein ganzes Bukett in Zartrosa an Jennifer O’Loughlin.

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