Eberhard Michaely: Frau Helbing und der tote Fagottist. Der erste Fall, Oktopus, Zürich 2021, 240 S., € 15,90, ISBN 978-3-311-30008-3 +++ Natasha Korsakova: Tödliche Sonate. Ein Fall für Commissario Di Bernardo, Heyne, München 2018, 448 S., € 12,99, ISBN 978-3-453-42267-4 +++ Johannes Matthias Michel: Tod im Fernwerk, Strube Verlag, München 2022, 200 S., € 15,00, ISBN 978-3-89912-231-2 +++ Georg Langenhorst: Tote Archivarin. Gute Archivarin. Mord in der Domorgel, Echter Verlag, Würzburg 2021, 277 S., € 14,90, ISBN 978-3-429-05671-1 +++ Beate Maxian: Tod auf dem Opernball, Goldmann Verlag, München 2024, 416 S., € 13,00, ISBN 978-3-442-49405-7 +++ Beate Maxian: Ein letzter Walzer, Goldmann Verlag, München 2022, 416 S., € 12,00, ISBN 978-3-442-49017-2
Die Leichen lagern in der Orgel
„Das Böse ist immer und überall!“, singt die Band „Erste Allgemeine Verunsicherung“. Das lässt wenig Hoffnung; dabei hatte man uns doch immer gesagt „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder“. Geht es in diesem Sprichwort wirklich ausschließlich um das Phänomen des Singens und nicht um Musik im Allgemeinen? Zumindest ein Blick in die Kriminalliteratur der letzten Jahre zeigt, dass auch im Bereich der Musik gelogen und betrogen, eingebrochen und gestohlen und Mord und Totschlag verübt wird. Schlimmer noch: sogar vor den heiligen Hallen der Kirchen wird nicht Halt gemacht. Da werden Kirchenmusiker umgebracht und die Leichname in der Orgel versteckt. Sodom und Gomorra!
Nun gibt es unter den Menschen zwei grundverschiedene Urlaubstypen: Die einen wollen von allem, was mit ihrer Arbeit zu tun hat, ihre Ruhe haben; die anderen wollen alle nicht-alltäglichen Ecken und Nischen ihrer Profession erforschen. Der zweiten Gruppe sollen hier einige Musikkrimis mit ins Urlaubsgepäck gelegt werden. Musikkrimis sind eine noch nicht so ausgebaute Gattung, aber die wenigen Exemplare, die es gibt, versprechen Spannung und Unerwartetes. Leichen gibt es reichlich!
Frau Helbing ist in Eberhard Michaelys Kriminalfall eine einfache Frau. Ihr Leben lang hat sie in der Fleischerei Ihres Mannes mitgearbeitet. Nun ist ihr Mann tot, und sie lebt ein sehr strukturiertes und ereignisarmes Leben. Als in der Wohnung über ihr Herr von Pohl, ein Fagottist, einzieht, ändert sich ihre Welt. Pohl lädt die Nachbarin ins Konzert ein – und Helbing wird in eine ihr vollkommen neue Welt eingeführt. Als von Pohl bei einem Kaffeebesuch sein Fagott bei ihr vergisst und kurz darauf tot aufgefunden wird, ist sie – entgegen der Polizei – fest davon überzeugt, dass es Mord war. Wie anders könnte man die drei Wespenstiche unter den Fußsohlen des nackt aufgefundenen von Pohl erklären? Auch die Unordnung in seiner Wohnung passt nicht zu ihm. Helbing ermittelt, lernt noch mehr Neues kennen (u. a. ein Nachtsichtgerät und Croissants), blamiert am Ende die Polizei und bleibt bei allem völlig normal, die Alte. Frau Helbing kann man nur lieben!
Der Messias ist das Meisterstück des Geigenbauers Antonio Stradivari. Sie steht im Museum und wurde nur von sehr wenigen Menschen jemals bespielt. Stradivari hat in Natasha Korsakovas Commissario Di Bernardo-Krimi „Tödliche Sonate“ ein Geheimnis, denn er hat eine Zwillingsvioline, die „Rosenknospe“, zum Messias gebaut, es aber allen verschwiegen. Was hat der Messias mit dem brutalen Mord an der unbeliebten und gefürchteten römischen Musikagentin Cornelia Giordano zu tun? Schon früh meldet sich der Mörder im Krimi selbst zu Wort – ohne sich zu erkennen zu geben: „Die Morde sollen eine Komposition sein. Meine Komposition. Cornelias Tod: der fulminante Auftakt, erster Satz der tödlichen Sonate. Dann der zweite Satz – die erfolglose Suche des Commissario, ein schleppendes Tempo, in Moll.“ Es kommt anders. Commissario Di Bernardo braucht reichlich Umwege, um dem Mörder und dem Motiv des Mordes auf die Spur zu kommen. Die Autorin, selbst Konzertgeigerin, entführt den Leser kompetent und kenntnisreich in die höchst eigenwillige Welt von Künstlern, Geigenbauern und Musikmanagern, eine Welt, in der es vor Intrigen nur so wimmelt. Das unerwartete Ende hat etwas Märchenhaftes.
Zwei Krimis erkennen das Potenzial einer Kirchenorgel als probate Lagerstätte für eine Leiche. In Johannes Matthias Michels „Tod im Fernwerk“ wird ebendort die eine gefunden, in Georg Langenhorsts „Tote Archivarin. Gute Archivarin“ in einer versteckten Kammer in der Orgel die andere. Michel ist Protestant, Langhorst Katholik – jeder hat zu seiner Kirche ein ganz eigenes Verhältnis.
Auch ihre Themen könnte man fast als typisch bezeichnen. Der Protestant sieht sich zu Fragen des Dritten Reiches hingezogen, der Katholik kümmert sich um die Frauen. Neben coolen Gedanken – etwa den Rhythmus einer Bach-Fuge als Morsezeichen zu verwenden – haben beide Krimis, die man gut als Pärchen lesen kann, gute Ideen. In beiden Fällen ist die Auflösung des Falles bzw. die Bestrafung der Verbrecher nicht alltäglich, was die beiden Krimis schon lesenswert macht.
Mitten auf dem Wiener Opernball bricht vor laufender Kamera eine umschwärmte Schauspielerin zusammen. In ihrem 14. Fall lässt Beate Maxian die Chefredakteurin des Wiener Boten, Sarah Pauli, wieder mit vielen mystischen Symbolen und Ideen ermitteln. In „Tod auf dem Opernball“ bezieht der Mörder sie nun aber bewusst mit ein, lässt ihr rätselhafte Nachrichten zukommen, die sie deuten muss. Erst verschwindet ihre Gesellschaftsreporterin – und dann gerät sie in Lebensgefahr. Schon in ihrem 12. Fall „Ein letzter Walzer“ hatte die Autorin Pauli in einem musikalischen Milieu ermitteln lassen. Davon kann man mehr vertragen!
Alle hier vorgestellten Krimis sind leichte und lockere Lektüre, die man gut in den Urlaub und an den Strand mitnehmen kann und sollte. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass Michaely, Langenhorst und Maxian um ihre ermittelnden Hauptfiguren je eine Reihe von Krimis geschrieben haben. Wenn diese auch nicht immer musikalische Themen haben, so sind sie für die möglicherweise noch übrigen Urlaubstage ausdrücklich empfohlen!
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